Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
dargestellt, als Sie wirklich sind.« Clementine rutschte auf die freie Bank und saß jetzt dem ältesten Freund, Vertrauten und Arzt des Präsidenten gegenüber. »Das mit den Hotdogs habe ich übrigens ernst gemeint.« Sie deutete auf den Tresen, wo sich ein halbes Dutzend dicke Hotdogs im Grill drehten. Offenbar genoss sie die Situation, was Palmiotti noch mehr ärgerte.
Sowohl A. J. als auch der Präsident hatten ihn genau davor gewarnt. Alle hielten zwar Nico für das Monster, aber es war seine Tochter gewesen,die versucht hatte, sie zu erpressen. Sie hatte ihnen damit gedroht, ihr Geheimnis zu verraten, es sei denn, sie bekäme die Informationen über ihren Vater, die sie verlangte. Und am Ende, auf ihrer Flucht, hatte Clementines Schuss Palmiotti fast das Leben gekostet.
Clementine war anders als Beecher und erheblich gefährlicher. Falls sie auch nur die leiseste Hoffnung hegen wollten, Stillschweigen über diese ganze Angelegenheit wahren zu können, mussten sie Frieden schließen und durften keinen Krieg mit ihr führen.
»Blond steht Ihnen gut«, meinte Palmiotti. »Ist ein ganz schöner Unterschied zu Ihrem schwarzen Haar vorher.«
»Das Kompliment gebe ich gerne zurück«, erwiderte Clementine und deutete auf seine gefärbten Haare. »Mir gefällt auch die Narbe an Ihrem Hals. Ist das nicht die Stelle, wo ich Sie getroffen habe?«
Palmiotti faltete die Hände und verschränkte die Finger. Er weigerte sich, den Köder zu schlucken. »Wissen Sie, ich kann mich noch gut an das erinnern, was Sie als Letztes zu uns gesagt haben. Es ging um den Krebs, der Sie von innen auffrisst. Ich habe eine Nichte durch einen Gehirntumor verloren. Sie war erst vier Jahre alt. Als ihr die Haare ausgefallen sind, hat sie immer geweint und gefragt: ›Warum kann ich keinen Pferdeschwanz haben?‹ Also, Sie können so viel reden, wie Sie wollen, aber ich bin Arzt. Allein schon aufgrund ihrer Haut … Ich nehme an, Sie machen orale Chemotherapie, richtig? Ich weiß, was das für Konsequenzen hat. Es tut mir sehr leid für Sie.«
Clementine musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Haben Sie mitgebracht, was ich haben wollte, oder nicht?«
»Selbstverständlich.« Palmiotti zog einen dicken Umschlag aus seinem Mantel, der neben ihm auf der Bank lag.
Clementine zog einen ähnlichen Umschlag aus ihrem Hosenbund. Er wirkte ein bisschen dünner und hatte Wasserflecken.
»Das ist alles, was Sie gefunden haben?« Palmiotti öffnete den Umschlag und sah einen vertrauten Namen auf dem dünnen Aktenhefter, der sich darin befand. Wallace, Orson.
Sie hatte Wort gehalten, das war tatsächlich alles. Die komplette Akte, die Beecher vor zwei Monaten in den Archiven aufgestöbert hatte. Soweit sie wussten, war das der einzige Beweis dafür, dass er,Palmiotti, und der zukünftige Präsident damals, vor all den Jahren den Mann mit der Billardtätowierung zusammengeschlagen und schließlich umgebracht hatten.
»Woher wissen wir, dass Sie nichts sagen oder dass Sie keine Kopien davon gemacht haben?«, erkundigte sich Palmiotti.
»Das können Sie nicht wissen.« Clementine griff nach dem Umschlag, den Palmiotti ihr mitgebracht hatte. Sie öffnete die Lasche. »Woher soll ich wissen, dass dies hier seine richtige Militärakte ist?«
Sie wartete auf eine Antwort. Palmiotti gab ihr keine.
In dem Glaskasten auf dem Tresen platzte einer der Hotdogs zischend auf und spritzte Fett gegen das Schutzglas. Clementine lächelte. Wenn man genügend Druck ausübte, platzte alles, selbst ein Präsident.
Sie zog den braunen Fächerordner aus dem Umschlag und las den Namen, der auf dem sich langsam ablösenden blau-weißen Aufkleber in der Ecke stand. Hadrian, Nicholas. Ihr Vater.
»Sie wissen, dass Beecher nach Ihnen sucht«, warnte Palmiotti sie, als sie anfing, die Akte durchzublättern.
Clementine nickte, leckte sich den Finger und blätterte die nächste Seite um. Sie hatte so lange gewartet, dass sie unbedingt einen Blick hineinwerfen musste. Dann sah sie das Logo oben auf der Seite: einen Adler, der einen Anker aus Eisen umklammert. Das Logo der U. S. Navy. Das war nicht logisch. Nico war gar nicht in der Navy gewesen.
»Beecher sucht nicht alleine«, sagte Palmiotti. »Er hat Hilfe.«
»Wen, Totte?«
»Und andere.« Palmiotti verschloss seinen Umschlag wieder.
Ihm gegenüber blätterte Clementine immer schneller durch den Ordner, überflog die Seiten, Beurteilungen, körperliches Profil, Einberufung. Die Einzelheiten des
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