Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
ist wunderschön, hab ich recht?«
Nico antwortete nicht, während er über den kiesbestreuten Parkplatz ging. Ihm war das alte Gebäude lieber gewesen, der rote Ziegelbau des John-Howard-Pavillons. In ihm hatten jahrzehntelang die gefährlichsten Insassen gehaust, die wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit als nicht schuldig befunden worden waren.
Jetzt aber war der John-Howard-Pavillon geschlossen, und alle Insassen waren in das brandneue Gebäude verlegt worden, das man direkt nebenan errichtet hatte.
»Warte nur, bis du es von innen siehst«, sagte Rupert. »Neue Zimmer, neue Fernsehgeräte und ein Garten zur Entspannung … Du wirst glauben, du wärst in einem verdammten Hotel.«
Nico sah an dem Gebäude hoch. Es war ziemlich niedrig und hatte nur drei Stockwerke. An dem matten Glanz der Fenster konnte Nico erkennen, dass sie aus Sicherheitsglas bestanden, vielleicht sogar kugelsicher waren.
»Ich mag es auch nicht« , erklärte die tote First Lady, die er vor einem Jahrzehnt getötet hatte.
Nico nickte zwar, antwortete ihr aber nicht. Er wusste, was die Pfleger davon hielten, wenn er mit seinen früheren Opfern redete.
»Dein ganzer Kram wird gerade im Augenblick hierher gebracht«, fuhr Rupert fort, während er ihn auf die Seite des Gebäudes führte, zur Ambulanz, an der auf einem Schild stand: Patientenaufnahme … Parken nur für Krankenwagen erlaubt.
Nico wusste, warum Rupert so nett zu ihm war. Und er wussteauch, warum sie durch die Ambulanz in das Gebäude gingen statt durch die Hauptlobby. Bei all den VIPs und Reportern, die bei dieser feierlichen Eröffnung dabei waren, konnte das Krankenhaus es überhaupt nicht gebrauchen, wenn sein berühmtester Patient, der Mann, der vor einem Jahrzehnt versucht hatte, den Präsidenten zu töten, während seiner Verlegung eine Szene machte.
»Es riecht anders als das alte Gebäude«, sagte Nico, als sie die Zementstufen hinaufstiegen, die zur Verladerampe führten.
»Irgendwie geht es genau darum«, erwiderte Rupert. Er trat an ein Hightech-Lesegerät und zog seinen Ausweis hindurch. Mit einem lauten, metallischen Geräusch öffneten sich die Doppeltüren. Sie schwangen auf sie zu und gaben den Blick auf den neuen, hufeisenförmigen Tisch der immer noch unbesetzten Rezeption frei. Tisch und Stühle waren noch in Plastik verpackt. Als sie die Haupthalle des Krankenhauses erreichten, war kein einziger Angestellter zu sehen.
»Du solltest verlangen, auf dein Zimmer gebracht zu werden« , sagte die tote First Lady.
»Ich will jetzt mein Zimmer sehen.«
»Das wirst du auch, Nico. Aber zuerst will man, dass du in …«
»Du hörst mir nicht zu. Ich will jetzt mein Zimmer sehen«, knurrte er. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, blieb Nico mitten im Flur stehen und weigerte sich, weiterzugehen.
»Nico, ich bin heute absolut nicht in der Stimmung für deine Verrücktheiten. Man wartet im TLZ auf uns«, sagte Rupert und hob die Stimme. Das TLZ war das Therapeutische Lern-Zentrum.
Aber Nico gab nicht nach.
Rupert packte ihn am Oberarm. »Kannst du ein einziges Mal nicht nerven?« Er verstärkte seinen Griff. »Weißt du, wie viele von uns gefeuert worden sind, um dieses Gebäude zu finanzieren? Wir hatten Aushilfskräfte für die Saftwagen. Jetzt muss ich auch noch den Saft verteilen, mal abgesehen davon, dass ich dich zum TLZ schleppen muss …!«
»Du musst mich loslassen«, warnte Nico ihn seelenruhig.
»Oder was?« Rupert sorgte dafür, dass Nico das kleine elektronischeGerät in seiner linken Hand sehen konnte, das aussah wie ein Mini-Walkie-Talkie.
Nico hatte gerüchteweise gehört, dass es in dem neuen Gebäude solche Geräte gab. Und dass man sie benutzte, während man Patienten verlegte. Man nannte sie »Toter-Mann-Alarm«. Wenn ein Angestellter so ein Gerät fallen ließ oder aber sein Körper in die Horizontale geriet, ging im ganzen Gebäude ein Alarm los, und die Kameras im Flur zoomten sich sofort bis auf sieben Meter an das Gerät heran.
Nico warf einen prüfenden Blick auf beide Enden des Flurs. Brandneue Kameras, umhüllt von Kästen aus unzerbrechlichem Glas, auf beiden Seiten.
Nico blieb ruhig. Noch vor zwei Jahren hätte er seine Daumen in Ruperts Augen gebohrt und so fest zugedrückt, dass er hätte hören können, wie sie in seinem Hirn platzten. Aber die Therapien und all die Medikamente … Er war jetzt ein neuer Mensch. Ein Geheilter, so nannten ihn die Ärzte. Geheilt. Nico atmete leise aus und entspannte seine
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