Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
den Bereich links, dann den rechts, dann oben und unten. Vor ihm befand sich ein schwarzer Empfangstresen aus Granit. Rechts von ihm ein Sicherheitsmann. In Beltsville waren die ersten Lektionen des Trainings beim Secret Service gewesen, auf Leute zu achten, die sich nicht so verhielten wie die anderen Angehörigen einer Gruppe. Man musste die Person finden, die entweder nervös war oder schwitzte oder sich gegen die Brust schlug, ein bekanntes Anzeichen dafür, dass sie eine Waffe trug. Aber die wenigen Männer und Frauen, die in dem Raum umhergingen oder auf den Ledersofas warteten, zeigten alle einen sehr ähnlichen Ausdruck von Sorge oder gar Verzweiflung.
Das hatte er auch erwartet. Vor allem hier.
»Willkommen im George Washington University Hospital«, begrüßte ihn die Frau am Empfangstresen. »Suchen Sie einen Arzt oder einen Patienten?«
»Einen Patienten«, erwiderte A. J. »Einen Pastor.«
39. KAPITEL
Marshall ging nicht zum Haupttor.
Das Haupttor bedeutete, dass es einen Wachmann gab, was bedeutete, er würde gesehen werden, was wiederum bedeutete, man würde sich an ihn erinnern. Und das Schlimmste war, wenn der Wachmann einen Anruf tätigte, würde man wissen, dass er kam.
Also fuhr Marshall, während die Sonne allmählich unterging, mit seinem SUV auf die Rückseite des Walter Reed Army Medical Center. Die meisten kannten das Walter Reed wegen des Krankenhauses. Einige wenige, wie zum Beispiel Beecher, wussten, dass es ein medizinisches Museum beherbergte. Aber was die meisten Leute vergaßen, war, dass das Walter Reed wie jede so große Einrichtung der Army auch Kasernen und Wohnungen hatte. Hier lebten Soldaten. Und sie produzierten Abfall. Deshalb brauchten sie jemanden, der diesen Abfall wegräumte, und zwar eine private Müllbeseitigungsfirma. Deren Angestellte kamen und gingen gemäß den Armyvorschriften durch einen Lieferanteneingang auf der Rückseite. Dort war keine Wache stationiert, sondern hier befand sich nur ein Tor mit einem gut versteckten elektronischen Schloss. Manchmal wollten selbst Generäle kommen und gehen, ohne gesehen zu werden.
Nichts davon war neu für Marshall. Er war vor zwei Wochen ebenfalls hier gewesen, an derselben Stelle. Er hatte vor dem Metallgitter gestanden und das Tastenfeld betrachtet.
Elektrische Tore wie dieses funktionierten alle mittels einer Funkfrequenz, die normalerweise zwischen 300 und 433 Megahertz lag. Aber um hineinzugelangen, brauchte man keine streng geheime Frequenz aufzuspüren, sondern man brauchte sich nur einen Weg in den pulverbeschichteten Verteilerkasten unterhalb des Tastenfeldes zu bahnen.
Glücklicherweise konnte Marshall gut mit Schlössern umgehen. So gut wie alle anderen auch. Mit zwei schmalen Metallstreifen drehte er das winzige Schloss, und der Verteilerkasten sprang auf. Dahinter befand sich ein Schaltbrett. Jetzt war es so einfach, als würde er einen Lichtschalter bedienen. Wenn man einen Lichtschalter betätigt, dann wird ein kleines Stück Metall abgesenkt und verbindet zwei Drähte. Wenn diese Verbindung zustande kommt, fließt der Strom.
Hier war es nicht anders. Marshall hatte einen dünnen Drahtstreifen in der Hand, der noch dünner war als eine Büroklammer. Er legte ihn auf zwei Metallschrauben in dem Verteilerkasten. Als der Strom zu fließen begann, ruckte das Metalltor an und rollte auf.
Genauso wie vor zwei Wochen.
Marshall trat ein und versuchte erst gar nicht, sich zu verstecken. Diese Armyeinrichtung war so gut wie leer. Wie schwer konnte es wohl sein, einen hellblauen 66er Mustang zu finden?
40. KAPITEL
Die Schaukästen des Museums um uns herum sind mit weißen Laken verhängt. In jeder Ecke stapeln sich gefährlich schräg aufeinandergetürmte Kartons. Das Museum zieht gerade um. In der Mitte des Raumes stehen Totte und ich und starren in eine der wenigen nicht zugedeckten Glasvitrinen, die aussehen wie jene, in denen in Kaufhäusern Schmuck gezeigt wird. Aber der Inhalt dieser Schaukästen ist unvergleichlich wertvoller als Diamanten.
Die beiden runden, flachen Samtscheiben sind ihrerseits wiederum von einer Glaskuppel bedeckt. Auf jeder der Scheiben liegen kleine weiße Gegenstände. Sie sehen aus wie zerbrochene menschliche Zähne. Darunter ist auch ein größeres Stück.
»Abraham Lincoln«, flüstere ich.
»Abraham Lincolns Schädel«, präzisiert Dale. Damit beweist sie nur, dass sie es, wie jeder Archivar, sehr genau nimmt. Sie zeigt auf die alten Knochenreste. »Jedenfalls das, was
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