Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
und von seinem nachwachsenden Haar überdeckt wurde. Die Botschaft blieb verborgen, bis der Sklave an seinem Ziel ankam und sein Kopf erneut rasiert wurde. Das war perfekte Steganografie.
Fast so perfekt wie George Washington, der unsichtbare Tinte benutzte und damit zwischen die Zeilen seiner eigenen handgeschriebene Briefe schrieb.
Fast so perfekt wie das, was Nico und die tote First Lady heute betrachteten. Das Video, das von einem User namens LedParadis27 hochgeladen worden war.
»Mehr macht er nicht? Er sitzt nur da und sieht sich Katzenvideos an?«, fragte Karina.
»Wir nennen es seinen Kittie-Porno. Und, ja, seit er die Katzen aus der Nachbarschaft nicht mehr füttern darf, ist das die beste Methode, Nico ruhigzustellen.«
»Und wie lange …?«
Noch bevor Karina ihren Satz beenden konnte, stand Nico auf, nahm sein Buch und ging an ihnen vorbei.
»Ich muss ins Bad«, verkündete er. Die tote First Lady folgte ihm auf dem Fuß.
»Ich glaube, das Bad ist am Ende des Flurs auf der linken Seite«, sagte Rupert und zeigte ihm den Weg in den Hauptbereich der Klinik. Das Gebäude war für sie alle noch neu. »Oh, und, Nico … Du weißt, dass du das Buch hier lassen kannst, wenn du willst.«
Nico starrte den Pfleger ausdruckslos an. Dann richtete er den Blick auf die Schwester.
Ohne ein Wort zu sagen, ging Nico durch den Gang zum Badezimmer, das ein Stück weiter hinten lag. Auf dem Bildschirm rollte sich das Kätzchen namens Lester immer noch auf dem Boden herum und versuchte, die juckende Stelle auf seinem Rücken zu erreichen. Und die ganze Zeit tippte der Besitzer der Katze mit seinem Fuß und lachte.
Ja, Nico wusste alles über Steganografie. Und jetzt hatte er auch, dank des Ritters, endlich die neueste Nachricht erhalten.
Er tippte mit dem Finger auf sein Lesezeichen, die Pik Zehn. Jetzt musste er nur noch antworten.
42. KAPITEL
Als das Schloss klickt und die Metalltür sich langsam öffnet, schlägt mir als Erstes der Geruch entgegen.
Er ist bitter und riecht wie Essig, gemischt mit Mottenkugeln und dem Geruch von Regen. Ich erkenne ihn sofort. Formaldehyd.
Das Schild an einer Tür verkündet: Feuchtgewebe-Raum. Ich weiß zwar nicht, was Feuchtgewebe ist, aber ich bin mir sicher, dass es genauso riechen sollte.
»Entschuldigung, ich hätte Sie warnen sollen«, meint Dale, als sie unsere Gesichter sieht. »Ich nehme den Geruch gar nicht mehr wahr.«
Bevor ich antworten kann, schaltet ein Bewegungsmelder die Lampen ein, und jetzt kommt der schlimmste Teil. Ich sehe, wo der Geruch herkommt.
In dem Raum stehen Gläser in allen möglichen Größen und Formen auf Regalen. Jedes ist mit einer hellgelben Flüssigkeit gefüllt, und die Regale reichen vom Boden bis zur Decke. Der ganze Raum ist voll davon. Das hier ist ein Archiv, so eins wie das, in dem Totte und ich arbeiten. Aber statt Büchern stehen auf diesen Regalen … Ist dieser ganze Raum gefüllt mit …
In einem der Gläser belauscht ein graues schleimiges Ohr jedes unserer Worte.
»Jetzt wissen Sie, warum wir das ganze Zeug von Booth hierhergeschafft haben«, erklärte Dale, als wir die hinterste Ecke des Raumes erreicht haben. »Nach dem Einbruch …« Sie unterbricht sich und bleibt an einem metallenen Kartenschrank stehen. Wie die Schränke, die wir in den Archiven haben, hat auch dieser Schrank etwa ein halbes Dutzend sehr breite Schubladen, die nur ein paar Zentimeter hoch sind. »Wir haben uns gedacht, wer ist schon pervers genug, hier einzubrechen?«
Ich nehme meinen Blick nicht von Dale und weigere mich, die Hunderte von blassgelben Körperteilen anzusehen, die überall in den Gläsern um uns herum schwimmen.
»Sie sagten gerade etwas über John Wilkes Booth?«, erinnere ich sie sanft.
»Ja. Nein, sorry, wir hatten zwei Sachen von ihm«, sagt Dale und zieht die mittlere Schublade des Kartenschranks auf. Sie ist mit einer dünnen Unterlage aus weißem Schaumstoff ausgelegt. Darauf liegt ein durchsichtiger Plastikwürfel mit einem präparierten, weißbraunen Stück Knochen. Quer durch den Knochen verläuft eine helle, himmelblaue Plastiksonde.
»Booths Rückgrat.« Totte klingt, als würde er eine Frage stellen. Aber wie schon zuvor kennt er die Antwort.
Diesmal kenne aber auch ich sie. Nachdem Booth in Garrett’s Barn erschossen worden war, führte man eine rasche Autopsie durch und verbrannte ihn heimlich, damit er kein Märtyrer wurde. Was ich nicht wusste, war, dass sie Teile seines Körpers aufbewahrt
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