Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
dass ich es riechen kann. Es stinkt nach nassem Hund. »Sag mir, was Marshall über Nico gesagt hat!«
Ich weiche verwirrt zurück. Nico? Das hier hat nichts mit Nico zu tun.
Noch bevor ich ein Wort sagen kann, schwimmen ihre Augen in Tränen, und sie lässt die Schultern sinken. »Ich habe dir alles über deinen Dad erzählt, was ich weiß, wirklich alles.« Sie reißt sich zusammen, beißt die Zähne zusammen und weigert sich zu weinen. »Wie bringst du es fertig, mir nicht zu erzählen, was du über meinen weißt?«
»Ich weiß nichts, Clemmi. Das schwöre ich dir.«
»Aber du hast dich mit Marshall getroffen, stimmt’s? Du hast mit ihm geredet?«
»Ja. Aber wir haben uns nicht über Nico unterhalten. Es hatte nichts mit Nico zu tun, ebenso wenig mit den Plankholders.«
Sie sieht sich um, nach rechts, nach links, als wüsste sie nicht, wo sie ist. Ich habe sie noch nie so aufgewühlt erlebt. Ich habe noch nie erlebt, dass sie überhaupt etwas erschüttern kann.
Sie hebt eine ihrer zitternden Hände ans Ohr und streicht eine imaginäre Locke hinter ihr Ohrläppchen. In ihrem Zustand tut man manche Dinge aus reiner Gewohnheit. »Wenn es nicht um Nico geht, warum hast du dann mit Marshall geredet?«
»Weil wir versucht haben, herauszufinden, ob … es klingt verrückt, wenn ich es laut sage.«
»Mein Vater lebt in einer psychiatrischen Klinik und hat versucht,einen Präsidenten zu erschießen. An Verrücktheiten bin ich gewöhnt. Spuck es einfach aus, Beecher.«
»Ich versuche herauszufinden, ob Marshall, verkleidet als John Wilkes Booth, jemanden ermordet hat. Ist das verrückt genug für dich?«
Clementine weicht zwei Schritte von mir zurück und drückt ihre Perücke gegen ihre Brust. »Was hast du gerade gesagt?«
»Ich weiß. Und wenn wir richtig liegen, dann geht es hier nicht nur um Booth. Da wäre auch noch Charles Guiteau, der …«
»Ich muss gehen«, erklärt Clementine. Sie hat das Etikett auf der Innenseite ihrer Perücke gefunden und setzt sie sich jetzt wieder auf den Kopf.
»Was? Wohin gehst du?«
»Ich muss jetzt gehen, Beecher.« Sie rückt die Perücke zurecht. Selbst mit Haar sieht sie bleicher aus als je zuvor.
»Clementine, bitte … Was verschweigst du mir?«
»Was du da gesagt hast, über Booth und Guiteau … Stimmt das? Marshall kopiert frühere Attentäter?«
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ist es Marshall. Ich bete darum, dass er es nicht ist. Aber wir wissen, dass Pastoren sterben, und wer auch immer dafür verantwortlich ist, kopiert historische Präsidenten-Mörder.«
»Nein, Beecher. Das macht er nicht.«
»Wovon redest du da?«
Sie legt eine Hand auf ihre Augen. »O Gott, es passiert schon wieder!«
»Was passiert schon wieder, verdammt?«
»Du musst jetzt gut zuhören, Beecher, bitte.« Sie ist eindeutig verängstigt. »Als ich mit Dr. Yoo gesprochen habe, hat er mir erzählt, dass es da jemand anderen gab. Jemanden, der das getan hat, der John Wilkes Booth kopiert hat und Guiteau und die anderen auch. Es ist schon Jahre her. Und jetzt will dieser Killer … Er kopiert nicht nur die ursprünglichen Attentäter.« Sie holt tief Luft und kann die Worte kaum aussprechen. »Der Mörder kopiert meinen Vater. Er kopiert Nico.«
61. KAPITEL
»George Washington?«, fragte Totte. »Sie wollen mir sagen, dass das hier George Washingtons persönliche Spielkarten sind?«
»Washington war ein leidenschaftlicher Kartenspieler. Er spielte Whist, wann immer es ging«, erklärte der Diamant. »Und was diese besonderen Karten angeht, mit diesem sogenannten Adler darauf … Washington war ohne Frage ihr größter Käufer. Er bestellte im Abstand von wenigen Monaten immer wieder dasselbe Spiel von demselben Drucker und Kartenmacher.«
»Das wusste ich nicht.«
»Ich auch nicht. Bis ich eine erste Ausstellung über die historische Bedeutung von Spielkarten ausrichten musste. Am interessantesten jedoch, jedenfalls für mich, war das, was noch passierte, wenn George Washington diese Spielkarten kaufte. Vergessen Sie nicht, dass wir diesen Sieg im Revolutionskrieg idealisiert haben. Aber nicht alle waren von der Veränderung der Machtstruktur begeistert. George Washington hat zwar den Krieg mit den Briten vom Zaun gebrochen. Aber plötzlich gab es da all die anderen Gruppen, die ihm eine Pistole auf die Brust setzten. Einheimische, denen der alte Weg, wie die Dinge gehandhabt wurden, lieber war. Indianer, die gezwungen wurden, sich für eine Seite zu entscheiden, und
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