Der Fünfte Elefant
sehen al es. Die Werwölfe
sind jetzt dauernd unterwegs und jagen Menschen. Wir sprechen
von einem ›Spiel‹. Die Wölfe bekommen die Schuld. Al es deutet
darauf hin, dass die Vereinbarung gebrochen wird. Und es haben
Treffen stattgefunden, im Wald, wo sie sich unbeobachtet glaub-
ten. Es heißt, gewisse Zwerge hätten einen scheußlichen Plan ent-
wickelt. Sie haben Wolfgang um Hilfe gebeten! Genauso gut könn-
te man einen Geier auffordern, einem die Zähne zu reinigen.«
»Was kannst du unternehmen?«, fragte Karotte. »Wenn nicht
einmal deine Eltern fähig sind, ihn zu kontrollieren…«
»Früher kämpften wir oft gegeneinander. Er nannte es ›Balgerei‹.
Dabei habe ich häufig gewonnen. Wolfgang verabscheut die Vor-
stel ung, dass es eine Person gibt, die ihn schlagen kann. Deshalb
freut es ihn bestimmt nicht, dass ich zurückkehre. Er hat etwas
vor. Dieser Teil von Überwald hat immer gut funktioniert, weil
niemand zu viel Macht angehäuft hat. Aber wenn sich die Zwerge
untereinander streiten, versucht Wolfgang bestimmt, mit seinen
dummen Uniformen und seiner dummen Fahne davon zu profitie-
ren.«
»Mir liegt nichts daran, euch kämpfen zu sehen.«
»Dann sieh woanders hin! Ich habe dich nicht darum gebeten,
mir zu folgen! Glaubst du etwa, ich wäre stolz darauf? Ich habe
einen Bruder, der als Schäferhund arbeitet!«
»Er gewinnt Meisterschaften«, sagte Karotte ernst.
Gaspode beobachtete Anguas Gesichtsausdruck. Eine solche
Miene bekam man bei Hunden nie zu sehen.
»Du meinst das wirklich ernst«, sagte sie schließlich. »Ja, du
meinst es wirklich so. Und bei einer Begegnung mit ihm würdest
du keinen Anstoß daran nehmen. Für dich ist jeder eine Person.
Sieben Nächte pro Monat schlafe ich in einem Hundekorb, aber
das stört dich überhaupt nicht, oder?«
»Nein. Du weißt, dass es mich nicht stört.«
»Aber das sol te es! Frag mich nicht nach dem Grund. Ich weiß
nur, dass du deshalb beunruhigt sein solltest. Du bist so… unvor-
stellbar nett ! Und früher oder später kann einem selbst Nettigkeit zu viel werden.«
»Ich versuche nicht, nett zu sein.«
»Ich weiß, ich weiß. Ich wünschte nur, du… Oh, ich weiß nicht.
Vielleicht solltest du dich gelegentlich ein wenig beklagen. Nun,
nicht direkt beklagen. Nur seufzen oder so.«
»Warum?«
»Weil… weil ich mich dadurch besser fühlen würde! Oh, es ist so
schwer zu erklären. Vermutlich hat es etwas mit der Werwolfsna-
tur zu tun.«
»Es tut mir Leid…«
»Und sag nicht dauernd, dass es dir Leid tut!«
Gaspode rol te sich so dicht am Feuer zusammen, dass er
dampfte. Hunde hatten es viel besser, dachte er.
Das Gebäude der Botschaft Ankh-Morporks lag in einer ruhigen
Nebenstraße. Sie passierten einen Torbogen und erreichten einen
Hof mit Stäl en. Mumm fühlte sich an einen großen, für Kutschen
bestimmten Gasthof erinnert.
»Derzeit ist es nur ein Konsulat«, sagte Inigo und blätterte in sei-
nen Unterlagen. »In Empfang nehmen sol te uns hier ein gewis-
ser… Wando Müde. Lebt schon seit einigen Jahren hier, mhm.«
Hinter den Kutschen schwangen zwei Torflügel zu. Bestimmte
Geräusche verrieten, dass schwere Riegel vorgeschoben wurden.
Mumm starrte zu der Gestalt, die nun in Richtung Kutschentür
humpelte.
»Sieht ganz danach aus«, sagte er.
»Oh, ich glaube, das ist nicht…«
»Guten Abend, Herr und Herrin«, sagte die Gestalt. »Wil kom-
men in Ankh-Morpork. Ich bin Igor.«
»Igor wer?«, fragte Inigo.
»Einfach nur Igor«, sagte Igor ruhig und klappte die Treppe aus-
einander. »Ef heift einfach nur Igor. Ich bin hier fofufagen daf
Mädchen für al ef.«
»Tatsächlich?«, erwiderte Mumm fasziniert.
»Hattest du viel eicht einen schrecklichen Unfal ?«, fragte Lady
Sybil.
»Heute Morgen habe ich mir Tee auff Hemd geschüttet«, sagte
Igor. »Sehr freundlich von dir, daf zu bemerken.«
»Wo ist Herr Müde?«, fragte Inigo.
»Ich fürchte, von Herrn Müde fehlt jede Fpur. Ich hatte gehofft,
von euch fu erfahren, waf mit ihm geschehen ift.«
»Von uns?«, erwiderte Inigo. »Mmhm, mmph! Wir dachten, ihn
hier anzutreffen!«
»Vor fwei Wochen brach er in al er Eile auf«, sagte Igor. »Er hat-
te nicht die Güte, mir anfuvertrauen, wohin er wol te. Tretet ein;
ich kümmere mich um daf Gepäck.«
Mumm sah nach oben. Es schneite leicht, doch es gab noch ge-
nug Tageslicht, um den Maschendraht zu erkennen, der den gan-
zen Hof überspannte. Zusammen mit dem
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