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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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den Glücklichen, aber schon wenig später, auf der Brücke, stand ich erneut. Einige hundert Meter vor mir war eine Baustelle, fiel mir ein, kurz vor dem Bahnhof. Der Neckar schimmerte und blitzte in der Sonne. Meine Müdigkeit steigerte sich zur Schläfrigkeit. Ich kurbelte das Fenster herunter. Im Radio diskutierte ein Moderator mit der Autorin eines Erziehungsratgebers für Eltern pubertierender Mädchen. Hin und wieder musste ich lächeln. Wieder ging es zehn Meter voran. Noch hundert Meter, dann kam Schatten.
    Aus den Augenwinkeln sah ich ein Motorrad in Gegenrichtung vorbeifahren. Schwarzer Helm, war das Erste, was in mein Bewusstsein drang. Plutschins. Der gebeugte Rücken. Slavko Dobrev? Tausend Motorradfahrer tragen schwarze Helme und Jeans. Viele haben vermutlich einen gebeugten Rücken.
    Nur zu oft ist es nicht unser Verstand, der entscheidet, sondern die günstige Gelegenheit. Hätte sich im Gegenverkehr nicht gerade jetzt eine Lücke aufgetan, wäre ich vermutlich weitergefahren. Aber da war eine Lücke, und ich riss das Lenkrad herum, scherte aus der Reihe aus, musste noch einmal zurücksetzen. Die Fahrerin eines steingrauen Uraltkäfer, der ich den Weg versperrte, winkte freundlich und lächelte. Ich rumpelte mit dem rechten Vorderrad über die Bordsteinkante, was mir einen bitterbösen Radfahrerblick einbrachte. Dann war ich herum und gab Gas.
    Der schwarze Helm war inzwischen zehn, elf Fahrzeuge vor mir. Und natürlich war die nächste Ampel wieder rot. Zeit zu telefonieren, während der schwarze Helm allmählich in der Ferne kleiner wurde. Ich hatte die Wahlwiederholung schon gedrückt, legte jedoch beim ersten Tuten wieder auf. Dieses Mal wollte ich sicher sein.
    Grün. Zu meiner Erleichterung bogen drei Fahrzeuge vor mir ab. Einige hundert Meter konnte ich schneller fahren und aufholen. Links die Einfahrt der Unikliniken. Augenblicke später kreuzte ich schon die Mönchhofstraße, wo Geldorf zu Hause war. Dorthin war Dobrev jedoch offenbar nicht abgebogen. Die Straße war vierspurig, in der Mitte verliefen Straßenbahngleise. Eine lang gezogene Rechtskurve nahm mir für einige Zeit die Sicht nach vorn. Die Bebauung wurde spärlicher, die Straße zweispurig. Der nadelspitze Kirchturm von Handschuhsheim kam in Sicht.
    Da war er wieder: der schwarze Helm, jetzt nur noch fünf Fahrzeuge vor mir, an einer Ampel. Dieses Mal musste ich nur wenige Sekunden warten. Dobrev – falls er es denn war – ließ den Motor aufheulen und überholte mehrere Wagen, um sich dann wieder brav in die Kolonne einzuordnen. Als legte er Wert darauf, in dieser Kolonne an einer bestimmten Stelle zu sein. Für mich war Überholen hier unmöglich. Aber das war auch nicht nötig, denn Dobrev blieb jetzt mit gleich bleibendem Abstand vor mir. Ohne weitere Stopps passierten wir mehrere Ampeln und durchquerten Handschuhsheim, den nördlichsten Stadtteil Heidelbergs. Der Verkehr wurde wieder spärlicher. Ich holte auf. Vier Fahrzeuge vor dem Motorrad entdeckte ich einen kleinen tomatenroten Wagen. Einen BMW , wenn ich mich nicht täuschte. Dahinter folgte ein weißer Ford Focus, dann etwas taxibeiges Japanisches. Kein silberner BMW . Spätestens jetzt hätte er zu sehen sein müssen.
    Als ich an einer Tankstelle mit angeschlossener Kfz-Werkstatt vorbeifuhr, fielen mir Melindas Worte wieder ein: »Sein Auto ist ein bisschen kaputt.«
    Ich suchte im Handy – angenommene Anrufe – Melindas Mutter.
    Â»Hab ihn noch nicht gesehen«, berichtete sie ungefragt. »Ich hab schon einen ganz steifen Hals vom aus dem Fenster Gucken.«
    Â»Ihre Tochter sagte vorhin, mit seinem Auto sei irgendwas nicht in Ordnung.«
    Â»Der Auspuff, ja, stimmt. Wie er gestern aus dem Urlaub gekommen ist, da hat sein BMW geröhrt wie so ein Angeberauto. Er hat überhaupt viel Ärger damit, hat er mir mal gesagt. Ist übrigens das einzige Mal gewesen, dass er mehr als drei Worte mit mir geredet hat. Damals hat er auf die Werkstätten geschimpft, und dass ihm sein Auto noch die Haare vom Kopf frisst. Er hat sogar überlegt, ob er es nicht lieber verkaufen soll.«
    Sollte Geldorf seinen BMW in die Werkstatt gebracht und Einkaufskorb und Bierkisten in ein Ersatzfahrzeug umgeladen haben? Nun wurde mir doch unwohl. Falls dieser Motorradfahrer mit dem schwarzen Helm wirklich Dobrev war und irgendwo weiter vorn Geldorf fuhr, dann war

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