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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Seitenscheibe zerschossen hatte, ließ sich keiner polizeibekannten Waffe zuordnen. Nur eine einzige Person war Augenzeuge des Vorfalls auf der Autobahn gewesen. Eine selbstständige Physiotherapeutin aus Hannover namens Silke Gerke behauptete, ein Motorrad gesehen zu haben, das Voronin Augenblicke vor seinem Unfall überholte hatte. Weder Typ noch Kennzeichen dieses Motorrads konnte sie angeben. Selbst, ob eine oder zwei Personen darauf gesessen hatten, wusste sie nicht zu sagen.
    Einen Lichtblick gab es immerhin: Piotr Voronins Überlebenschancen stiegen stündlich. Bis er vernehmungsfähig war, würde es natürlich noch dauern.

    Um halb elf rief Theresa an.
    Â»Ich bin’s«, sagte sie überflüssigerweise. Ihre Stimme klang belegt.
    Â»Ich bin’s auch.«
    Auch meine Stimme war nicht so, wie sie sein sollte. Früher hätten wir an dieser Stelle gelacht.
    Â»Wie geht’s dir?«, fragte sie leise.
    Â»Ich weiß nicht.«
    Â»Sauer?«
    Â»Auf dich? Wieso sollte ich? Nein.«
    Â»Du klingst so … merkwürdig. Ziemlich weit weg.«
    Â»Ich habe kaum geschlafen letzte Nacht. Gestern Abend habe ich übrigens in deinem Buch gelesen.«
    Â»Wie weit bist du?«
    Â»Knapp die Hälfte«, log ich. »Du schreibst unglaublich … wie soll ich sagen … lebensnah. Kein bisschen akademisch. Deine Figuren sind so lebendig.«
    Â»Danke. So was Ähnliches hat Egonchen auch gesagt.«
    Echte Freude klang anders.
    Â»Warum hast du mir nie von deiner Vergangenheit erzählt? Von deiner Krankheit? Von deiner Dissertation?«
    Â»Lass das bitte, Alexander. Dafür ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.«
    Â»Wofür ist denn der richtige Zeitpunkt?«
    Sie zögerte. »Vielleicht sollten wir uns sehen? Reden?«
    Â»Gute Idee. Aber … entschuldige, ich muss aufhören. Es hat geklopft.«
    Warum war ich erleichtert, als ich auflegte?

    Der Name des jungen Mannes, der mir mit schuldbewusst gesenktem Haupt gegenübersaß, lautete Roman Siderov, entnahm ich seinem Pass, Alter: zweiundzwanzig, Wohnort: Sofia. Das bordeauxrote Dokument schien echt zu sein, wenn auch das Foto nicht allzu viel Ähnlichkeit mit dem Besitzer hatte. Roman Siderov sprach außer »danke« und »entschuldigen bitte« kein Wort Deutsch. Zudem war er völlig verängstigt, und die Handschellen passten an seine schmalen Gelenke ungefähr so gut wie ein Würgehalsband an einen Zwergpudel. Ich ließ sie ihm abnehmen. Wer auch immer den Cayenne in die Luft gejagt hatte – dieser verschüchterte Kerl war es gewiss nicht gewesen. Auch mit Englisch und Französisch kamen wir nicht weiter. Klara Vangelis versuchte es sogar mit Griechisch, ihrer Muttersprache, und damit war die erste Vernehmung Roman Siderovs auch schon zu Ende.
    Gefunden hatte ihn eine Streifenwagenbesatzung auf einer Bank am nördlichen Neckarufer. Dort hatte er schlafend gelegen, und sie hatten einige Mühe gehabt, ihn wach zu kriegen.
    Ich ließ Siderov in eine unserer Zellen im Keller bringen und bat Vangelis, einen des Bulgarischen mächtigen Dolmetscher aufzutreiben. Die Zeit bis dahin nutzte ich dazu, einige Akten abzuarbeiten, zu deren Erledigung ich die Woche über nicht gekommen war. Vor allem aber nutzte ich die wohltuende Stille, um über meine private Situation nachzudenken und Theresa schließlich eine SMS zu schicken.
    Â»Ich brauche einfach Zeit«, schrieb ich. »Mir schwirrt der Kopf. Tut mir leid. Ich melde mich, wenn ich klarer sehe.«

    Â»Haben wir schon eine Reaktion aus Sofia?«, fragte ich Klara Vangelis beim Mittagessen. Wie in unserer Kantine an Sonn- und Feiertagen üblich, gab es nur Kaltes. Wir hatten beide Salat gewählt. Vangelis die italienische Variante, ich die griechische.
    Â»Auch in Bulgarien ist heute Sonntag«, erwiderte sie lächelnd. »In der deutschen Botschaft erreiche ich nur den Bereitschaftsdienst. Die Bulgaren sind alle auf dem Land in ihren Datschen, heißt es dort.«
    Die Ehe schien ihr gutzutun. Seit sie verheiratet war, lächelte sie mehr und vor allem herzlicher als früher. Ich nahm einen Schluck von meiner Cola, die ich mir trotz aller Kalorienzählerei gegönnt hatte, weil heute Sonntag und draußen wieder wunderschönes Wetter war.
    Â»Hat eigentlich schon jemand mit der Frau von diesem Slavko gesprochen?«
    Â»Ich habe gestern mit ihr telefoniert. Sie war sehr

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