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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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es hier nach Zitrone.
    Â»Ist Ihnen etwas aufgefallen in den Sekunden, bevor es gekracht hat?«, fragte ich, als der Zug endlich zu Ende war.
    Â»Aufgefallen?« Sie schüttelte ratlos den Kopf. »Gar nicht. Die Sonne hat geschienen, ich wollte noch rasch Zigaretten ziehen, und auf einmal macht es bums, und mir fällt alles aus der Hand. Das ist alles, was ich weiß.«
    Akzent und Tonfall verrieten, dass sie aus dem Rheinland stammte.
    Â»Was haben Sie in den Minuten vorher getan?«
    Â»Ich bin, also ich war …«
    Sie senkte den Blick und verstummte. Ihre schmale Rechte hielt den Kragen ihres kuscheligen Morgenmantels zu. Vor dem gekippten Fenster zwitscherten Vögel. Eine angenehm frische Luft wehte herein. Inga Wolff erhob sich, nahm die Kanne aus der Kaffeemaschine, füllte die Tassen, setzte sich wieder. Dann begann sie zu sprechen.
    Â»Wer wird von unserem Gespräch erfahren?«, fragte sie leise, während sie drei gehäufte Löffel Zucker in ihre Tasse schaufelte und sie anschließend bis zum Rand mit Sahne auffüllte.
    Â»Kommt darauf an«, erwiderte ich freundlich. »Falls das, was Sie mir zu erzählen haben, nichts mit meinem Fall zu tun hat, bin ich genauso zu Diskretion verpflichtet wie Ihr Arzt oder Ihr Beichtvater.«
    Sie lächelte, als hätte sie nichts anderes erwartet, und probierte einen vorsichtigen Schluck von ihrer morgendlichen Kalorienbombe.
    Â»Ich bin … Ich war nämlich …« Sie musste noch dreimal schlucken und ein zweites Mal an ihrem Milchkaffee schlürfen, bevor sie fortfuhr. »Ich strippe«, gestand sie und errötete bis zum Haaransatz. »Auf Junggesellenabschieden. Und Herrenabenden. Und so.«
    Â»Mich interessiert ausschließlich, was Sie gesehen haben, nachdem Sie am Samstag die Straße betreten haben.«
    Sie seufzte und schlürfte wieder von ihrem Kaffee, der nicht weniger zu werden schien.
    Â»Eine Freundin hat mich dazu gebracht. Tina. Sie ist in solchen Sachen ziemlich locker. Lockerer als ich jedenfalls. Verstehen Sie, man wird ja nicht angefasst. Das ist sogar regelrecht verboten. Es gibt einen ordentlichen Vertrag, und da steht klipp und klar drin: Gucken ja, grapschen nie und nimmer. Läuft über eine Agentur in Mainz. Ich mache das noch nicht so lange. Die ersten beiden Male war es … na ja … ein bisschen komisch, aber okay. Vor allem die Bezahlung, die ist sogar sehr okay. Am Freitagabend war es schrecklich. Eine Horde sturzbesoffener Russen …«
    Â»Russen?«
    Â»Ukrainer, Letten, was weiß ich. Jedenfalls hat nur einer von den widerlichen Typen deutsch gesprochen, und der hat uns später auch bezahlt. Termin war von zehn bis elf. Eine Stunde – zweihundert Euro pro Nase. Zweihundert die Stunde, wo kriegen Sie das sonst? Aber diese Kerle am Freitag hatten anscheinend die Spielregeln nicht begriffen. Dachten wohl, Stripperin ist so was wie Callgirl. Das läuft aber nicht. Nicht bei mir. Und bei Tina auch nicht.«
    Â»Und nach der Vorstellung haben Sie trotz allem bei diesen … Herren übernachtet?«
    Seit Ewigkeiten hatte ich keinen deutschen Brühkaffee mehr getrunken. Er schmeckte gar nicht so schlecht, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
    Â»Um Himmels willen!« Sie schüttelte sich vor Ekel und lachte gleichzeitig. »Wir haben zugesehen, dass wir wegkamen, bevor die am Ende noch handgreiflich geworden wären. Zum Glück waren sie nicht mehr die Schnellsten bei ihrem Alkoholpegel. Zu Hause bin ich sofort unter die Dusche, und da habe ich erst bemerkt, dass meine Armbanduhr fehlte. Die hatte ich da irgendwo liegen lassen. Deshalb bin ich am Samstagmorgen noch mal hingefahren, ich hatte dummerweise nicht mal eine Telefonnummer, und habe geklingelt. Sie können sich denken, mit welcher Freude ich das gemacht habe. Aber die Uhr war teuer. Ein Geschenk meines Opis zum Abi.«
    Â»Und haben Sie Ihre Uhr zurückbekommen?«
    Â»Gott sei Dank, ja. Der Typ, der aufgemacht hat, war der, der am Abend bezahlt hat. Meine Uhr hat in der Küche auf dem Kühlschrank gelegen. In der Küche hatten wir uns umgezogen.«
    Â»Und was war mit dem Rest der Partygäste?«
    Â»Ich habe keinen gesehen. Die Wohnung ist aber auch riesig. Vier oder fünf Zimmer mindestens. Gut möglich, dass da noch irgendwo welche ihren Rausch ausgeschlafen haben. Gesehen habe ich nur Unmengen leerer Flaschen. Meine Güte, was manche

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