Der fünfte Mörder
beschäftigt?«
»Na ja. Er hat am Fenster gestanden und irgendwas beobachtet. Hab mich noch gewundert, was es da so Interessantes zu gucken gibt. Sonst ist er um die Zeit immer in der Küche und macht seinen Leuten Dampf. Oder scheucht seine Mädels durch die Gegend. Der Typ ist ein ziemliches Arschloch, wenn Sie mich fragen.«
»Können Sie sich erinnern, ob er etwas in der Hand gehalten hat?«
Eine Weile blieb es still.
»Nö«, erwiderte der Fahrradkurier schlieÃlich gedehnt. »Er hat die Arme vor der Brust verschränkt gehabt, glaub ich. Möglich, dass er was in einer Hand gehabt hat. Was könnte das denn gewesen sein?«
Ich legte auf.
Nun hatten Vangelis und Balke begriffen. Entgeistert starrten sie mich an.
»Natürlich!«, stieà Vangelis hervor und warf den Kopf in den Nacken. »Gott, sind wir schwer von Begriff!«
Balke legte stöhnend das Gesicht in die Hände.
»Wenn das stimmt«, sagte er heiser, »wenn wirklich die Bulgaren dahinterstecken, dann macht das Bella Napoli nie wieder auf.«
»Stimmt«, sagte Vangelis nüchtern. »Dann haben sie für den Rest ihres Lebens ausgesorgt. Falls sie überhaupt noch am Leben sind, natürlich.«
»Und jetzt?«, fragte Balke wieder einmal. »Wie gehtâs jetzt weiter?«
»Wir brauchen DNA -Material von den Bulgaren«, entschied ich. »Wir beide fahren nach Wieblingen und stellen Schivkovs Haus auf den Kopf.«
»Ob wir auf so einen vagen Verdacht hin einen Durchsuchungsbeschluss kriegen?«
»Es liegt Gefahr im Verzug.« Ich erhob mich. »Die Bulgaren sind in Lebensgefahr.«
Eine halbe Stunde später stand ich zusammen mit Sven Balke vor dem unscheinbaren Bungalow, den Anton Schivkov noch vor einer Woche bewohnt hatte. Das Haus lag ganz im Westen in der Nähe des Friedhofs und so nah an der Autobahn, dass man ständig das Rauschen und Brausen des Verkehrs im Ohr hatte. Die Tür machte keinen allzu wehrhaften Eindruck, war aber natürlich verschlossen.
Die beiden uniformierten Kollegen, die sich in ihrem Streifenwagen am StraÃenrand langweilten, berichteten, man habe hier seit Tagen niemanden gesehen, der dem Anwesen auch nur einen interessierten Blick zugeworfen hätte.
Gefolgt von Balke umrundete ich das Haus, dem ein neuer Anstrich gutgetan hätte. Der Plattenweg war von Unkraut überwuchert, das hoch stehende Gras feucht vom Regen der vergangenen Nacht. Das Gewitter hatte nicht lange gedauert. Seit dem Morgen schien wieder die Sonne von einem rein gewaschenen Himmel. Die Luft war frisch. Es duftete schwer nach exotischen Blüten. Ein groÃer Rhododendron strahlte in sattem Lila.
An der Rückseite des Gebäudes öffnete sich eine bescheidene Rasenfläche, und es gab eine kiesbedeckte Terrasse von der GröÃe eines Ehebetts. Balke rüttelte an der verglasten Tür und sah mir fragend ins Gesicht.
»Sagten Sie nicht was von Gefahr im Verzug?«
Augenblicke später klirrte es.
Die spärliche Einrichtung war lieblos und billig. Wohnkultur schien nicht Sache des alten Bulgaren zu sein. Das einzig Wertvolle war ein für das kärgliche Wohnzimmer völlig überdimensionierter Flachbildfernseher. Wir durchquerten den Raum und gelangten in einen engen Flur. Von dort gingen Türen ab zur Küche, in ein Schlafzimmer, in das mit knapper Not ein Doppelbett und ein Schrank passten, und in ein maximal acht Quadratmeter messendes Kämmerchen, das ein vermutlich kinderloser Architekt für den Nachwuchs eingeplant hatte. Ãberall roch es muffig. Nach altem Staub, verbrauchter Luft und ranziger Butter.
Im Badezimmer, das so schmal war, dass man es zu zweit kaum betreten konnte, fanden wir, was wir brauchten: einige kurze, weiÃe Haare am Boden sowie eine abgenutzte Zahnbürste in einem verkalkten Glas über dem Waschbecken.
AnschlieÃend durchsuchten wir das Haus. Ein Keller existierte nicht, ein Dachboden ebenso wenig. Die Fertiggarage war bis auf einige Ãlflecken am Boden, eine ungeöffnete Tüte Streusalz und einen uralten Dachgepäckträger leer. In der Küche nichts Erwähnenswertes, im Kühlschrank einige vergessene Lebensmittel, im Schlafzimmerschrank eine zerrissene Tuchhose und ein nach hinten gerutschtes und vermutlich übersehenes Hemd. SchlieÃlich entdeckte Balke noch einen Abstellraum, dessen Tür von der Küche abging. Dieser war bis obenhin
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