Der Fürst der Dunkelheit
freundlich und beruhigend. Als sie ihm mitteilte, dass sie nur eben etwas essen wollten, meinte er: “Gute Idee. Ich setze mich solange rein zu Ihrer Freundin. Lassen Sie sich Zeit.”
Lauren bedankte sich und bemerkte eine schwere goldene Kette um seinen Hals. “Ist das ein Kruzifix?”, fragte sie.
“Äh, ja, eigentlich schon.” Er zog es aus seinem Kragen. “Ein Geschenk von meiner Liebsten. Trage ich immer. Ihres finde ich auch sehr schön.”
“Du trägst das Kreuz von Mark also wirklich”, frotzelte Heidi belustigt.
Lauren schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und bedankte sich noch einmal bei dem Polizisten.
In der Kantine entdeckten sie, dass es eine recht anständige Salatbar gab. Sie füllten ihre Teller und setzten sich an einen Tisch.
“Tut mir wirklich leid, dass deine Party jetzt ruiniert ist”, sagte Lauren. “Aber am meisten mache ich mir Sorgen um Deanna.”
“Ach, mach dir um mich keine Gedanken”, meinte Heidi leichthin. “Ich halte es inzwischen für eine gute Sache, dass wir hier nicht so richtig einen draufmachen konnten. So hatte ich Zeit, mal drüber nachzudenken, was ich da eigentlich mache.”
“Wie meinst du das?”, fragte Lauren.
Heidi zuckte die Achseln. “Ich habe über die ganze Sache mit der Hochzeit noch mal nachgedacht.”
Lauren erstarrte, ein Salatblatt auf halbem Weg zum Mund. “Was?”, fragte sie erstaunt.
“Heirat. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich dazu schon bereit bin.”
“Aber Heidi, deine Hochzeit ist schon in zwei Wochen.”
“Ja, ich weiß.” Heidi rückte ungerührt ihre Serviette zurecht.
“Heidi, du liebst Barry doch.”
“Na ja, sicher, ich liebe ihn.”
“Also?”
“Ich habe halt nachgedacht. Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin.”
“Aber du bist dir doch so sicher gewesen.”
“Da hast du’s. Manchmal ändern sich die Dinge.”
“Hast du mit ihm gesprochen? Habt ihr zwei euch gestritten oder so was?”, fragte Lauren völlig perplex.
“Nein, es würde mir nicht im Traum einfallen, mich mit ihm am Telefon zu streiten, und außerdem streiten wir sowieso nie. Meinungsverschiedenheiten manchmal, aber Streit nie.”
“Hast du denn überhaupt mit ihm geredet?”
“Seit gestern nicht mehr.”
“Aber was soll denn dann …?”
“Ich bin einfach nicht mehr sicher, ob ich wirklich schon bereit für die Ehe bin.” Heidi wurde rot und starrte Lauren an. “Wenn du es unbedingt wissen musst, mir ist der Gedanke gekommen, dass ich nicht hundertprozentig davon überzeugt bin, jetzt schon ein sexuell monogames Leben führen zu wollen.”
Lauren sah sie nur ausdruckslos an. “Äh, na ja …”
“Das müssen wir ja jetzt nicht ausdiskutieren”, schnappte Heidi.
“Schon gut.”
Heidi legte ihre Gabel hin. “Eigentlich habe ich gar keinen Hunger. Da du jetzt hier bist, kann ich ja mal weggehen. Ich sehe erst mal nach, ob wir im Cottage nichts vergessen haben, und dann sehe ich mir dieses neue Haus an. Okay?”
Heidi fragte in Wirklichkeit gar nicht; sie ging einfach. Und damit hatte sich’s.
“Okay.”
Lauren war nicht mal sicher, ob Heidi sie überhaupt gehört hatte. Sie marschierte bereits zur Tür.
Lauren merkte, dass sie selbst auch nicht hungrig war, und spürte plötzlich den Drang, so schnell wie möglich wieder bei Deanna zu sein.
Sie rannte wieder nach oben.
Der freundliche Polizist saß noch in Deannas Zimmer. Er wurde rot, weil sie ihn beim Lesen von Heidis Brautmagazin ertappte.
“Wirklich hübsche Fotos hier drin”, sagte er. “Meine Frau und ich sind nach Las Vegas durchgebrannt. Manchmal denke ich, ich habe sie um eine richtige Hochzeit betrogen.”
“Wie lange sind Sie schon verheiratet?”
“Sechsundzwanzig Jahre.”
“Dann ist sie bestimmt glücklich so, wie es gekommen ist”, versicherte sie ihm.
Er lächelte. Ein glücklicher Mann. Mit dem Gefühl, dass vielleicht doch alles wieder in Ordnung kommen würde, setzte Lauren sich ans Fußende von Deannas Bett.
Der Polizist blieb bei ihr. Sie merkte gar nicht, wie sie einnickte, aber sie bekam erst wieder etwas mit, als er sie rüttelte und ihr mitteilte, dass gleich Schichtwechsel wäre. Sie blinzelte und stellte fest, dass es draußen schon dämmerte.
Lauren war sich überhaupt nicht sicher, ob sie es wirklich über sich gebracht hätte, Deanna die ganze Nacht allein hier im Krankenhaus zu lassen, um diese Wahrsagerin zu finden. Aber zum Glück musste sie sich darüber keine Gedanken machen, denn Heidi tauchte rechtzeitig
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