Der Fürst der Dunkelheit
wieder auf.
In Laurens Kopf drehte sich immer noch alles.
Deanna war unverändert, aber Heidi führte sich mehr als eigenartig auf. Sie war in einer sehr leutseligen, wenn auch irgendwie entrückten Stimmung zurück ins Krankenhaus gekommen. Dieses Wort, entrückt, würde Lauren üblicherweise nicht benutzen, aber es schien sehr gut zu der ganzen Art zu passen, wie Heidi sich benahm. Sie erwähnte, sie hätte mehrere Anrufe von Barry einfach ignoriert, und meinte ganz vergnügt, Deanna würde schon wieder gesund werden, und sie selbst hätte schon allein damit ihren Spaß, wenn sie heute Abend nur lesen oder fernsehen könnte. Solange Lauren versprach, nicht zu spät zurückzukommen, solle sie sich ihretwegen keine Sorgen machen.
Lauren fühlte sich etwas unbehaglich bei dem Gedanken, Heidi hier sozusagen die Kontrolle zu überlassen, aber dann kam ihr das selbst lächerlich vor. Auch während der ganzen Nacht schob ein Polizist Dienst vor der Tür, und der wäre ganz bestimmt in der Lage, die beiden Frauen zu beschützen, falls das notwendig werden würde.
Vor dem Krankenhaus erwischte Lauren diesmal den nettesten Taxifahrer der ganzen Welt, und sie bat ihn, sie zum Montresse House zu fahren, weil sie eine Jacke überziehen wollte, bevor sie sich zum Jackson Square begab. Der Taxifahrer war ein Einheimischer und fühlte mit ihr, weil ihre Freundin im Krankenhaus lag. Außerdem glaubte er an das Okkulte und legte ihr nahe, sich mit wirklich wirksamen Talismanen gegen das Böse auszustatten.
Sie dankte ihm sehr, dachte aber für sich, es gäbe wirklich keinen Grund, sich zu so etwas hinreißen zu lassen.
So nett er auch war, er war jedoch unglücklicherweise nicht in der Lage, sie bis zum Montresse House zu bringen, ja nicht einmal bis zur Bourbon Street. Irgendwo hatte es einen Unfall gegeben, alle Straßen waren verstopft. Er entschuldigte sich vielmals und schlug vor, sie solle die letzten paar Blocks lieber zu Fuß gehen.
Also stieg Lauren aus, obwohl sie sich nicht ganz sicher war, wo sie sich überhaupt befand. Aber überall waren Menschen, alles war hell erleuchtet, daher war sie nicht sonderlich beunruhigt. Auf ihrem Weg dachte sie noch einmal über alles nach, was passiert war, seit sie in der Stadt angekommen waren.
Plötzlich schien sie eine merkwürdige Kälte einzuhüllen, und sie blieb stehen und sah sich um. Die Straße war flankiert von alten Stadthäusern, nur hier und da gab es ein paar Läden im Erdgeschoss, von denen die meisten nur tagsüber geöffnete Cafés waren. Die wirklich großartigen Paläste standen hinter hohen Mauern, undurchdringliche Sträucher am Bürgersteig sorgten für zusätzliche Privatsphäre – und in sämtlichen Sträuchern schien es plötzlich zu rascheln.
Sie ging schneller.
Dann blieb sie stehen.
Jemand war hinter einer hohen Ziegelmauer hervorgetreten. Jemand, der sehr groß war und einen dunklen Schatten warf.
In der Entfernung konnte sie den Verkehr rauschen hören.
Gelächter.
Sogar Musik.
Sie stand totenstill da. Eine Brise zog über sie hinweg, seltsam kalt. Ihr wurde klar, dass sie plötzlich ganz allein auf dieser Straße war. Alle Türen und Tore waren verschlossen. Sie war nicht weit entfernt von der Bourbon Street, aber sie hätte genauso gut am Ende der Welt sein können.
Die Silhouette bewegte sich nicht wirklich, jedenfalls nicht so, dass sie es wahrnehmen konnte, schien aber trotzdem näher zu kommen, beinahe als würde sie ein paar Zentimeter über dem Bürgersteig schweben.
Dann verwandelter sich die finstere Gestalt plötzlich in einen Mann, einfach bloß einen Mann. Groß, Mitte dreißig, athletisch gebaut, dunkelhaarig. Er trug schwarze Jeans, ein schwarzes Polohemd, ein saloppes Jackett. Sein Haar schien dunkler zu sein als die Nacht.
Und seine Augen …
Diese Augen hätten ebenfalls schwarz sein können.
Außer dass eine Art goldenes Licht in ihnen zu glühen schien.
Sie befahl sich weiterzugehen, schneller zu gehen; an diesem Mann vorbeizukommen – dann merkte sie plötzlich, dass sie wie festgefroren still dastand.
Und er lächelte, als er sich näherte.
Von irgendwo hörte sie eine Autohupe, aber das Geräusch hätte genauso gut aus einer anderen Welt kommen können. Gefolgt wurde es vom klagenden Klang eines Jazzakkords.
Aber so weit weg.
“Hallo.”
Ihr Herz schien zu flattern. Sie begriff nicht, warum sie sich nicht bewegen konnte. Als ob ihre Gliedmaßen paralysiert wären. Sie war wütend auf sich. Was zum Teufel
Weitere Kostenlose Bücher