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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Sodoma kommt mit seiner Arbeit nicht voran. Seit einem halben Jahr pinselt er an der Decke herum«, fluchte Julius. »Ich will, dass du die Wände der Bibliothek freskierst! Sie soll ja noch in diesem Jahrhundert fertig werden.«
    »Heiliger Vater, was soll mit Piero della Francescas Fresken geschehen?«, fragte ich ihn und deutete auf die Wände, die ich bemalen sollte.
    »Sie werden abgeschlagen«, befahl Julius.
    »Und was soll ich malen, Euer Heiligkeit?«, fragte ich.
    »Sokrates, Platon und Aristoteles. Dante, Petrarca und Boccaccio. Augustinus, Thomas von Aquin und Francesco von Assisi. Moses, David und Salomon. Petrus und Paulus. Eine Galerie großer Philosophen, Dichter, Denker, Könige und Propheten! Die übliche Dekoration für eine Bibliothek.«
    »Und Jesus Christus?«, fragte ich vorsichtig.
    Er lächelte, als hätte ich einen Witz gemacht. »Male, wen du willst, Raffaello! Solange du nicht den Teufel an die Wand malst und ihm Unser Gesicht gibst!«

    Verglichen mit Giovanni de’ Medicis Kardinalspalast in der Via di Ripetta war der Palazzo Medici in Florenz ein bescheidenes Stadthaus. Giovanni war seit einem Jahr Vizekanzler des Papstes und damit ex officio der zweitmächtigste Mann im Vatikan. Diese Macht, die selbst die seines Vaters Lorenzo il Magnifico überstrahlte, der ein Vierteljahrhundert lang Florenz regiert hatte, wollte Giovanni deutlich zeigen. Die nächste Stufe auf der Himmelsleiter seiner Karriere schien vorgezeichnet.
    Das Abendessen, das Giovanni mir versprochen hatte, war mehr ein Konsistorium der Kardinäle als ein festliches Bankett. Die Hälfte der Kardinäle war mit ihren Geliebten gekommen – Ippolito d’Este machte keinen Hehl aus seiner Liebe zu Angela Borgia, der Cousine von Lucrezia Borgia, Rafaele Riario hatte seine Lieblingskurtisane Fiammetta mitgebracht. Alessandro Farnese hielt seine Geliebte Silvia Ruffini Crispo an der Hand, als er die Treppe zum Piano Nobile heraufkam. Mit ihr hatte er vier Kinder. Am anderen Arm ging seine Schwester Giulia Farnese Orsini, La Bella Giulia, die frühere Geliebte von Papst Alexander.
    Giovanni de’ Medici empfing mich im prächtig geschmückten Saal seines Palazzo, der mir mit dem Marmor, den feinen chinesischen Seidentapeten und den orientalischen Teppichen wie der Diwan des Sultans Bajazet erschien. Polster und Seidenkissen waren über die kostbaren Teppiche verteilt, dazwischen standen niedrige Tische mit Früchten, Pistazien und Konfekt. Die Dienerinnen trugen türkische Gewänder aus Goldbrokat und durchscheinender Seide, die ihre wohlgeformten Körper kaum verhüllten.
    Giovanni war, wie die anderen Kardinäle, nicht in seine purpurfarbene Soutane gekleidet, sondern trug eine schlichte florentinische Tracht aus schwarzem Samt. Als ich vor ihm auf die Knie gehen wollte, um seinen Ring zu küssen, winkte er ab. »Lass den Unsinn, Raffaello! Wir sind hier unter uns.« Dann sah er mir über die Schulter, als suchte er jemanden. »Wo ist deine Leibwache?«
    »Meine Leibwache?«, fragte ich verblüfft.
    »Ein paar Bewaffnete, die auf dich aufpassen! Der Maler Baldassare Peruzzi ist gestern Abend überfallen und niedergeschlagen worden. Er hatte Glück, dass er nicht als Leiche in die Cloaca Maxima geworfen wurde. Dort entsorgt man seit der Antike den Müll und alles andere, was man loswerden will: Feinde Roms wie Vercingetorix und Jugurtha oder Cesares Bruder Juan Borgia. Das hier ist Rom, Raffaello! Hier gelten andere Gesetze als in Urbino oder Florenz.«
    »Welche Gesetze, Giovanni?«
    »Herkunft, Familie und Geld spielen in Rom keine Rolle. Hier ist es gleichgültig, ob du aus Urbino, Florenz oder Rom kommst, ob du ein Medici, ein della Rovere oder ein Santi bist und wie viel Gold du in deinem Tesoro hast. Was allein zählt, ist geistige Potenz! Jeder wird in Rom, was er werden kann, was er Stärke und Intelligenz und Mut hat zu sein. Der Mensch ist nur er selbst! In Rom zu leben ist wie ein Gladiatorenkampf im Circus Maximus: Ein paar von uns werden ihn überleben.«
    Ich beobachtete, wie Gian Giordano Orsini die Treppe hochstieg. Er küsste Giovannis Ring und erhob sich. Sein weiter Mantel mit Perlenstickereien auf den Ärmeln reichte bis zum Boden. Ein Halsband aus Saphiren und Perlen und eine breite Goldkette ließen ihn aussehen wie einen Pfau, der sein Rad schlug.
    Giovanni nickte ihm freundlich zu. »Conte Orsini, welche Freude, dass Ihr heute Abend meine bescheidene Tafel beehrt! Ich wusste nicht, dass Ihr in Rom

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