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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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weiter in den nächsten Raum. »Das hier ist das Territorium von Pietro Perugino«, erklärte er mit einer großartigen Geste. »Unser künftiger Audienzsaal.«
    Pietro stieg von seinem Gerüst herunter und fiel vor dem Papst auf die Knie, um seinen Ring zu küssen. Seine Schüler hielten sich ehrfürchtig im Hintergrund. Pietro kochte vor Wut über meine Anwesenheit im Vatikan und ignorierte mich mit allen Sinnen. Er hatte seine Niederlage in Perugia noch nicht vergessen.
    Julius amüsierte sich über die Gefühle, die zwischen Pietro und mir hin und her wogten. Der Konkurrenzkampf zweier Künstler schien für den Papst die beste Referenz zu sein, beide für ein Werk zu verpflichten. Ich befürchtete, dass er Pietro und mich wie zwei Gladiatoren gegeneinander antreten lassen wollte, in einem Kampf, bei dem sowohl die Schnelligkeit der Arbeit als auch die Qualität der Fresken bewertet wurde. Die unvermeidlichen Wortgefechte zwischen Pietro und mir würden ihm zusätzlich Vergnügen bereiten …
    Julius zog mich ungeduldig weiter in den nächsten Raum. »Das hier wird die neue Bibliothek.«
    Die Wände des Saals waren mit herrlichen Szenen aus dem Alten Testament bemalt, die im Lauf der Jahre etwas verblasst waren. Piero della Francescas Fresken zeigten den Besuch der Königin von Saba in König Salomos Palast … und in seinem Bett.
    Ich lächelte über Papst Sixtus’ Kunstgeschmack – er war eben ein della Rovere! Und auch Cesare Borgia, der diese Räume zuvor bewohnt hatte, dürften die Szenen gefallen haben.
    »Der Borgia-Clan ist aus dem Vatikan vertrieben – mit Feuer und Schwert. Jetzt wird alles vernichtet, was Uns an sie erinnert – mit Pinsel und Farbe«, rief Julius begeistert von seinen eigenen Ideen. Dann stellte er mir den jungen Mann vor, der in diesem Raum arbeitete. »Das ist Gian Antonio Sodoma. Ihr werdet hier zusammen arbeiten.«
    Leonardo hatte Maestro Gian Antonio in höchsten Tönen gelobt – allerdings weniger seine malerischen Fähigkeiten als vielmehr seine humoristischen Eigenschaften –, und so begrüßte ich ihn herzlich. Die Zusammenarbeit mit ihm versprach, spaßig zu werden. Und auf keinen Fall langweilig!
    Gian Antonio Sodoma war ein junger Mann mit vor Lebensfreude leuchtenden Augen. Ein feines Netz von Lachfältchen hing in seinen Augenwinkeln.
    Er war ein Günstling von Agostino Chigi. Der Bankier des Papstes nannte ihn Mattaccio, den Spaßvogel, weil Gian Antonio letztes Jahr im Benediktinerkloster von Monte Oliveto seinen Freskenzyklus aus dem Leben des Heiligen Benedictus mit erotischen Darstellungen nackter Huren ›verschönert‹ hatte. Der Prior hatte wütend darauf bestanden, dass Gian Antonio seine eigenen Fresken übermalte. Der hatte es gelassen genommen – der Spaß war es ihm wert gewesen, weitere vier Wochen in Monte Oliveto zu malen, allerdings ohne Bezahlung!
    Julius warf der hellgrauen Eselin, die in einer Ecke der Stanza von einem Heuballen naschte, einen gereizten Blick zu. »Wir hatten dir befohlen, den Esel aus der Bibliothek zu entfernen!«
    Gian Antonio verneigte sich. »Ja, Heiliger Vater. Aber ich kann nicht malen ohne Thalia. Sie ist meine Muse«, erklärte er, ohne den Mund zu verziehen.
    Julius wandte sich ab, um Gian Antonios Fresko an der Decke zu betrachten. Er grollte wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch.
    »Hat sie dich heute schon geküsst, deine Muse?«, fragte ich mit einem Blick über das begonnene Deckenfresko.
    Gian Antonio grinste frech. »Sie hat sich mir heute Morgen hingegeben. Wir haben es im Stehen getan«, flüsterte er so leise, dass Papst Julius ihn nicht verstehen konnte. Dann prustete er los.
    Gian Antonio trug seinen Spitznamen Sodoma stolz wie ein Wappenschild. Er war ganz verrückt nach Tieren, besaß Pferde, Esel, Affen und sprechende Papageien. Aber die Eselin Thalia, die den Namen der Muse der Komödie trug, war seine große Liebe. Er machte keinen Hehl daraus, dass er mit ihr sexuellen Umgang pflegte. Gian Antonio hatte seinen exzentrischen Lebensstil zur Kunstform erhoben.
    »Ich ziehe es vor, ins Bett zu gehen«, gestand ich ihm trocken.
    »Wenn du dich an Thalia vergreifst, bekommst du Ärger mit mir«, drohte er mir scherzhaft. Er schien es mir nicht übel zu nehmen, dass Julius mich für denselben Raum engagierte, in dem er bereits seit einem halben Jahr arbeitete.
    Lächelnd trat ich neben Julius, der ganz in die Betrachtung von Gian Antonios Decke vertieft war. Offensichtlich war er unzufrieden. »Dieser Esel

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