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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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der Astronomie und der Harmonie des Weltgetriebes, die Mythologie in Apollon und Marsyas und die Rechtsprechung im Urteil Salomons.
    Die großen Wandflächen wollte ich den allegorischen Figuren in den Medaillons, der Theologie, Philosophie, Poesie und Gerechtigkeit zuordnen. Damit waren die Themen festgelegt, und ich widmete mich nun den Entwürfen für die Erkenntnis des Göttlichen, die unterhalb der Theologie, der geoffenbarten Wahrheit gemalt werden sollte.
    Die Lünette gestaltete ich wie einen Triumphbogen. Die Wandfläche selbst unterteilte ich in einen oberen, himmlischen Bereich, in dem Christus mit der Madonna, dem Täufer und den Heiligen auf einer Wolkenbank thronte, und einen unteren, irdischen Bereich, den ich mit einer großen Zahl von Personen füllte: disputierende Gelehrte, Mönche, Bischöfe, Kardinäle, Päpste. Der perspektivische Mittelpunkt des Freskos sollte jedoch nicht der thronende Christus sein, die zweite Person der Dreifaltigkeit zwischen dem schwebenden Gottvater und dem als Taube zur Erde herabfliegenden Heiligen Geist, sondern die Hostie auf dem Altar, das sichtbare Symbol des Glaubens.
    Als die Skizzen fertig waren, ließ ich Giulio Romano, der ein geschickter Zeichner war, die Entwürfe auf einen großen Karton übertragen, den ich mit heißem Wachs an der gegenüberliegenden Wand der Stanza befestigte.
    »Wir stehen davor und merken nicht, wie die Zeit vergeht«, sagte Julius, als er den Karton zum ersten Mal sah. Er trat näher heran und deutete auf die Figuren in der oberen Hälfte: »Wer ist das?«
    »Links sitzen Petrus, Adam, der Evangelist Johannes, David …«
    »… mit dem Gesicht Leonardo da Vincis!«, unterbrach er mich.
    »Rechts sitzen Paulus, Abraham, Jakobus, Moses, Stephanus …«
    »Die Heiligen um Christus symbolisieren die triumphierende Kirche.« Ein anerkennendes Lächeln spielte um Julius’ Lippen. »Und unten sehen wir die streitende Kirche: die Heiligen Dominicus und Francesco von Assisi, Thomas von Aquin, Bonaventura, Dante Alighieri, Fra Savonarola. Du hast auch Unseren Onkel Sixtus IV . gezeichnet. Und Uns selbst!« Julius deutete auf sein Porträt.
    Dann ging er ein paar Schritte weiter, um andere Aspekte des Bildes zu betrachten. »Die geschwungene Wolkenbank, auf der Christus thront und uns die Wunden der Kreuzigung zeigt, ist wie die Apsis einer Kirche geformt. In der perspektivischen Mitte des Bildes steht der Altar dieser unsichtbaren Kirche mit der Hostie.« Er trat einen Schritt zurück, um den Karton aus der Entfernung von vier Schritten zu betrachten. »Zwei Achsen: eine irdische – horizontale, eine himmlische – vertikale, die vom schwebenden Gottvater im Himmel über Christus und die herabstürzende Taube bis zum Altar verläuft. Dazwischen: vier Engel mit den Evangelien.«
    Eine Weile verharrte er sinnierend vor dem Entwurf.
    Giulio Romano und Raffaellino del Colle traten nervös von einem Fuß auf den anderen. Sie hatten meine Skizzen auf den riesigen Karton übertragen und die Figuren koloriert. Mit großen Augen sahen sie den nachdenklichen Papst an.
    »Unten auf der Erde herrscht viel Bewegung«, sagte Julius. »Bücher liegen aufgeschlagen auf den Stufen, und während einige der Gelehrten noch in den Büchern nach der Erkenntnis suchen, heben andere schon gläubig die Augen zum Himmel. Zwei, drei und mehr Gelehrte und Päpste streiten sich, ihre Gesichter sprechen von Neugier, von Staunen und einem unruhigen Streben nach Gewissheit über ihre Zweifel. Du hast wirklich die Frechheit, zweifelnde Päpste zu malen!«, rief er aus. »Von der Ablehnung des Sakraments ganz links – in der Figur des ungläubigen Donato Bramante – bis zum gläubigen Aufschauen der beiden Päpste – einer von ihnen Wir selbst – sind viele Grade des ›Auf dem Weg Seins‹ zu Gott dargestellt. Donato als ungläubiger Ketzer – dein Pinsel ist so verletzend wie ein Schwert, Raffaello! Donato beugt sich über die Balustrade, über den Rand des Bildes hinaus und bindet so den Betrachter in die Szene mit ein.«
    »Gefällt Euch dieser Entwurf, Heiliger Vater?«, fragte ich vorsichtig, als er seinen Monolog für einige Minuten unterbrach.
    »Gefallen, Raffaello? Nein, das ist das falsche Wort: Wir sind begeistert! Du erhebst dich über alles, was bisher von Botticelli, Signorelli oder Ghirlandaio gemalt wurde. Michelangelos Apostel in der Sixtina würden vom Schlag getroffen zur Erde sinken, wenn sie an deiner Tempelreinigung teilnehmen sollten – wie Jesus

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