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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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den neun Musen um den Gott Apollon zu. Er zeichnete Malpomene, die Muse der Tragödie, Kalliope, die Muse des Epos, Klio und Thalia mit der Theatermaske der Komödie und Erato, die Muse der Liebe und des Tanzes. Gian Antonio Sodoma hatte im Scherz vorgeschlagen, die Muse Thalia als Eselin zu malen, und ich hatte über seine Idee gegrinst. Als ich ihm sagte, wer die Musen wirklich waren, hatte er schallend gelacht und seinen Vorschlag demütig zurückgezogen. Meiner sei ja noch verrückter als seiner …
    In diesem Augenblick betrat Felice den Raum.
    Bastiano verneigte sich tief vor der Tochter des Papstes, den sie freundlich anlächelte und ihm die Hand zum Kuss reichte. Er ging fast in die Knie vor ihr.
    »Einen wunderschönen guten Morgen«, wünschte sie uns. »Maestro da Sangallo, Maestro Santi!« Mir reichte sie nicht die Hand, sondern küsste mich auf die Wange, was vom Gerüst her mit einem Raunen zur Kenntnis genommen wurde. Dann begrüßte die Contessa Orsini höflich auch die Maestros und Schüler auf dem Malgerüst.
    Bastiano schob einen Klappstuhl heran, damit Felice Platz nehmen konnte. Beinahe stolperte er über seine eigenen Füße, um der Contessa zu Diensten zu sein.
    Felice ließ sich auf dem Stuhl nieder.
    Was wollte sie hier?
    Wir hatten uns erst vorgestern gesehen. Ich war zum Abendessen in ihrem Palazzo in der Nähe des Forum Romanum gewesen, nachdem ihr Gemahl Gian Giordano Orsini zu einer Reise nach Florenz aufgebrochen war. Wir hatten gegessen, getrunken und uns im Kerzenschein unterhalten, die halbe Nacht. Über die Skizzen, die ich während der letzten Wochen von ihr angefertigt hatte. Über das Fresko. Und über uns selbst.
    Nach Sapphos Flucht war ich wie von Sinnen durch Rom geirrt. Ich hatte sie gesucht, in den Straßen, in den Palazzi, in den Kirchen, zwischen den Ruinen. Doch keine der schönen Madonnen, die ich besuchte, und keine der teuren Kurtisanen, weder Rafaele Riarios Geliebte Fiammetta noch Agostino Chigis Freundin Imperia, keines der Schankmädchen im florentinischen Viertel, keine der Ziegenhirtinnen vom Forum Romanum und keine der Huren von der Ripa Grande war meine Sappho!
    Ich besuchte Caterina de’ Medici. Sie war nach dem Tod von Herzog Guidobaldo da Montefeltro nach Rom zurückgekehrt. Sie hatte Francescos Nähe nicht mehr ertragen, und mir schien, dass auch sie ihn für den Mörder hielt. Caterina war eine Freundin von Felice, und es war kein alchemistisches Mysterium, dass ich Felice eines Morgens beim Gottesdienst im Pantheon traf. Es war Karneval – die antiken, römischen Saturnalien –, und Felice und ich begegneten uns oft auf Banketten und Maskenbällen im Palazzo Orsini, im Palazzo Chigi oder im Vatikan.
    Was mir anfangs wie ein Lächeln der Fortuna – das Lächeln der schönen Caterina? – und wie ein glücklicher Zufall vorgekommen war, erschien mir mit einem Mal wie … Absicht. Gian Giordano Orsini war für einige Wochen nach Florenz gereist, und Felice war allein in Rom. Einsam. Agostino Chigi war der Erste gewesen, der Felice und mich zusammen zu einem seiner Bankette einlud.
    Felice und ich verbrachten viel Zeit miteinander, gingen am Tiber spazieren, ritten in die Weinberge des Esquilin und besuchten die Kirchen von Rom, wo ich Skizzen anfertigte. Meine Suche nach der geheimnisvollen Sappho hatte ich nie aufgegeben …
    Felice bemerkte meinen fragenden Blick. »Ich bin gekommen, um mir die Entwürfe anzusehen, Raffaello! Mein Vater hat mir gestern Abend davon vorgeschwärmt, obwohl der Karton nonfinito war, als er ihn sah. Du hast so viele Skizzen von mir angefertigt, mir aber nie verraten, als wen du mich malen willst.«
    Gianni, Giulio, Timoteo, Raffaellino und Gio’ kletterten vom Gerüst, damit die Contessa Orsini die zarten Kohlezeichnungen an der Wand betrachten konnte. Gianni ordnete eine Pause an und verschwand mit Bastiano in der benachbarten Stanza, damit ich mit Felice allein sein konnte.
    Sie hatte sich von ihrem Sessel erhoben und war neben mich getreten, um die Skizzen zu betrachten. Sie war mir so nah, dass wir uns beinahe berührten. Ihre Nähe war erregend.
    »Der Parnassos«, sinnierte sie, »das Reich der Poesie! Im Mittelpunkt des Bildes sitzt der Gott Apollon auf seinem Berg und spielt, umgeben von seinen neun Musen, auf der Lyra numine afflatur – vom Göttlichen angehaucht. Um sie herum gruppieren sich achtzehn lorbeerbekränzte Dichter der Antike …« Sie trat zur rechten Wandseite, »… und der Gegenwart. Das ist

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