Der Fürst der Maler
und Haben hat er allerdings einige Probleme. Er gibt mehr Geld aus, als er hat.«
»Ich dachte, davon lebst du, Agostino«, scherzte ich und kostete von dem Montepulciano.
»Es ist wahr, ich verdiene daran so gut, dass mein Unternehmen größer ist als seines. Ich habe mehr Grundstücke, mehr Schiffe, mehr Angestellte, mehr Kapitalvermögen, einen eigenen Handelshafen, der so groß ist wie der von Venedig. Wenn ich seine Schulden bei mir berücksichtige, sind es eigentlich meine vatikanischen Gärten, in denen Bramante San Pietro errichtet …«
»Julius hat mehr Gläubige …«, warf ich ein.
» Non è vero, Raffaello! An die Macht des Geldes glauben mehr Menschen als an die Erlösung durch Jesus Christus. Ich kann die Ablassbriefe nicht so schnell drucken lassen, wie Giuliano sie verkauft. Die ganze Menschheit kann nicht so viele Sünden begehen, wie er und sein Stellvertreter auf Erden Geld brauchen.«
»Stellvertreter auf Erden?«, echote ich.
»Herzog Francesco ist heute Mittag nach Rom gekommen. Er und sein … sein ›Gelddrucker‹ Taddeo Taddei waren bei unserer Besprechung dabei.«
»Taddeo?«, fragte ich und überhörte großzügig Agostinos abfälligen Ton, als er von Taddeo sprach. » Du bist der Bankier des Papstes!«
»Giuliano braucht Geld, viel Geld. Mehr Geld, als ich ihm geben kann. Mehr, als ich ihm geben will «, erklärte Agostino ernst.
»Wozu? Will er den Rest von Rom abreißen und neu errichten?«
»Nicht Rom, Raffaello: Italien.«
»Hat Venedig ihm wieder den Krieg erklärt? Ich dachte, der Kirchenbann ist vor Monaten aufgehoben worden …«
Darüber würde Agostino glücklich sein. Er finanzierte nicht nur die Kirche, sondern auch die Republik Venedig. Der Doge hatte ihm den Titel ›Sohn von San Marco‹ verliehen und das Privileg, im Senat neben dem Dogen zu sitzen. Ein Krieg gegen Venedig musste nicht nur seinem Geldbeutel schmerzen!
»Der Doge ist Giulianos Verbündeter. Die Kirche führt nun Krieg gegen Alfonso d’Este von Ferrara«, erklärte Agostino.
Nach dem Friedensschluss mit Venedig und der Rückgabe der Festungen der Romagna an die Kirche hatte Julius allen Verbündeten der Liga von Cambrai befohlen, die Waffen niederzulegen. Der Krieg war beendet. Für alle außer den Herzog von Ferrara. Alfonso d’Este, berauscht von seinem Kriegsglück und gestärkt durch den König von Frankreich, wollte die Gebiete von Venedig zurückerobern, die sein Vater an die Serenissima verloren hatte. Er weigerte sich, die Waffen niederzulegen.
Julius, dem die Überheblichkeit der beiden d’Este, des Herzogs Alfonso von Ferrara, und seines Bruders, des Kardinals Ippolito, schon lange ein schmerzhafter Dorn im Fleisch war, drohte beiden Brüdern mit der Exkommunikation, wenn sie sich nicht ihm als oberstem Lehnsherrn unterwerfen würden. Ippolito d’Este, der zu seinem Bruder nach Ferrara geflohen war, ließ Papst Julius seine Antwort zukommen: »Nein!« Diese selbstbewusste Auflehnung der beiden d’Este war im Grunde die Antwort Louis’ XII . auf Julius Aufforderung, Italien zu verlassen: »Nein! Niemals!«
Der Papst hatte vor Zorn getobt und seine Heerführer, allen voran Herzog Francesco von Urbino, seinen Bannerträger, und Kardinal Francesco Alidosi, seinen Kardinallegaten in Bologna, an seine Seite befohlen. Der Krieg war unvermeidlich, aber er wurde nicht nur mit Kanonen geführt. Das Schicksal Italiens schien sich nicht auf den Schlachtfeldern, sondern in den Kontoren der Banca Chigi und der Banca Taddei zu entscheiden. Beide Bankhäuser waren die ›Investoren‹, so nannte es Agostino während unseres Abendessens zynisch, in dem Krieg gegen Ferrara.
Als der Papst dem französischen König als Verbündetem von Ferrara das Interdikt angedroht hatte, konterte Louis XII . mit der Ankündigung eines Konzils in Pisa, das Papst Julius absetzen sollte. Neun Kardinäle, unter ihnen Ippolito d’Este, hatten sich König Louis angeschlossen, wie auch Kaiser Maximilian, der den Frieden des Papstes mit Venedig nicht guthieß – hatte doch der ›Letzte Ritter‹ diesen Krieg gegen die Serenissima begonnen.
Am nächsten Morgen traf ich Francesco.
Julius hatte mich rufen lassen, weil er mit mir über ›seine Sixtina‹ sprechen wollte – das waren seine Worte gewesen, die mir Monsignor Paris de Grassis übermittelte.
An diesem Morgen hatte Michelangelo in einem ihrer lauten Wortgefechte um die Fertigstellung der Deckenfresken die päpstliche Kapelle ›meine Sixtina‹
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