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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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ich.
    »Das ist doch sinnlos, Raffaello«, sagte Michelangelo. »Julius hat ihn zum Kardinallegaten von Bologna ernannt. Er tritt damit in die blutigen Fußstapfen von Kardinal Francesco Alidosi. Er ist jetzt nicht nur der Stellvertreter des Papstes, sondern neben deinem Freund Francesco della Rovere auch noch der Oberbefehlshaber des päpstlichen Heeres. Er wird Bologna zurückerobern und die Kanone ›Giulia‹ gegen die Mauern von Ferrara richten. Dann wird er nach Florenz gehen …«
    Wenn Giovanni de’ Medici als Kardinallegat das päpstliche Heer befehligte, war eine direkte Konfrontation mit Herzog Francesco von Urbino nicht mehr auszuschließen. Giovanni stand auf der Liste von Francescos Lieblingsfeinden an zweiter Stelle – gleich nach Kardinal Alidosi. Wenn die beiden unversöhnlichen Rivalen vor den Mauern von Bologna aufeinander losgingen und Julius nicht in der Nähe war, um die beiden zu trennen, stand eine Katastrophe bevor. Für Rom und Urbino …

    » Ite per universum mundum! Geht hinaus in alle Welt!«, zitierte ich Jesu Aufforderung an seine Jünger, als ich Giovanni kurz vor Mitternacht in der Bibliothek seines Kardinalspalastes in der Via di Ripetta fand. Er wählte ein paar Bücher aus, die er auf seinen Feldzug mitnehmen wollte, und ich fragte mich, ob die lateinische Übersetzung von Sunzis Kunst des Krieges dabei war …
    Giovanni sah überrascht auf, als ich so spät seine Bibliothek betrat. »Ich werde morgen früh nach Norden aufbrechen«, erklärte er mir, während er einen Stapel Bücher in eine Reisetruhe packte. »Julius hat mich zum Kardinallegaten ernannt.«
    »Ich habe davon gehört. Bitte entschuldige, wenn ich dir zu deiner Beförderung nicht gratuliere«, sagte ich und ließ mich in einen Sessel neben dem Kaminfeuer fallen.
    »Und warum nicht?«, fragte er unwillig.
    »Ich bin besorgt.«
    »Um wen?« Er legte noch einen Stapel Bücher in die Truhe. Er schien mit einer langen Belagerung Bolognas zu rechnen.
    »Um meine Freunde. Um dich und um Francesco.«
    »Herzog Francesco ist dein Freund? Seit seine Gemahlin Eleonora bei dir eingezogen ist und ihr beide aufeinander losgegangen seid, dachte ich, ihr seid keine Freunde mehr.«
    »Vielleicht bin ich nicht sein Freund. Aber er ist meiner.«
    Giovanni schüttelte den Kopf über meine Unvernunft. »Von mir aus sei besorgt um Francesco della Rovere. Aber nicht um mich, Raffaello. Freu dich lieber mit mir! Nach all den Jahren wird ein Traum in Erfüllung gehen! Die Medici werden triumphieren! Wir werden endlich, nach achtzehn Jahren des Exils, nach Florenz zurückkehren. Das Lilienbanner der Medici wird wieder über unserem Palazzo im Wind der Geschichte wehen.«
    Nachdenklich reichte ich ihm die Bibel, die auf dem Tisch neben meinem Sessel gelegen hatte, damit er sie mitnahm.
    »Die brauche ich nicht«, winkte Giovanni ab. »Josuas Bericht über die Eroberung von Jericho kann ich auswendig.«
    »Die Mauern von Florenz werden nicht einstürzen, wenn du deine Posaunen bläst. Und ich befürchte, dass die Florentiner über deinen Siegeszug nicht so begeistert sein werden wie du, Giovanni«, warnte ich ihn.
    »Unsinn, Raffaello! Auf Knien werden sie mir danken, wenn ich sie von diesem Idioten Soderini befreit habe«, sagte er selbstsicher, während er den Deckel der Reisetruhe schloss.
    Eine Diskussion mit Giovanni schien mir sinnlos. Er war so geblendet von der Vision seines Triumphes, dass jedes weitere Wort verschwendet gewesen wäre.
    Ich erhob mich und umarmte ihn zum Abschied. » Benedicat tibi Dominus et custodiat te. Gott segne dich, Giovanni, und beschütze dich!«
    Dieses Mal, anders als bei Lucas Taufe, schien Gott mir zugehört zu haben. Denn Giovanni de’ Medici kehrte zurück nach Rom. Aber wie: Das konnte in dieser Nacht keiner von uns ahnen!
    Ich hätte mir keine Sorgen um Giovanni machen sollen – sondern um mich selbst!

    Am nächsten Morgen verließen Giovanni und Giuliano de’ Medici Rom und zogen nach Norden, um sich mit Herzog Francesco zu treffen.
    Die römischen Florentiner sahen seinem Abmarsch im Morgengrauen mit gemischten Gefühlen zu. Andrea Sansovino, Bastiano und sein Bruder Nino da Sangallo, Michelangelo und ich ließen an diesem Tag Winkelmaß, Pinsel und Schlageisen ruhen. Ich war kein Florentiner, aber ich hatte die schönsten und unbeschwertesten Jahre meines Lebens im Schatten von Brunelleschis Domkuppel verbracht. Florenz war ebenso meine Heimat wie Urbino oder Rom.
    Nach ein paar Tagen trafen

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