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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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zivilisierte Sprache erlernen.«
    Ich grinste unverschämt. Seit Giovanni Papst war, vernahm ich im Vatikan kaum noch ein lateinisches Wort. In den Arbeitsräumen der Monsignori, in den Loggien und Sälen, sogar im Konsistorium wurde ungeniert Italienisch gesprochen. Mit florentinischem Akzent! Giovannis Vater, Lorenzo il Magnifico, hätte sich darüber amüsiert – er war es, der seine Freunde der Platonischen Akademie ermutigt hatte, die italienische Umgangssprache in die Dichtung einzuführen.
    »Bist du dienstlich hier, Eminenz, oder zu deinem Vergnügen?«, fragte ich den Zeremonienmeister, der Tag und Nacht dem Papst zur Verfügung stand.
    »Was ist der Unterschied, Raffaello? Der Heilige Vater behauptet, dass es mir Vergnügen macht, ihn zu quälen und ihn an seine unzähligen Pflichten zu erinnern. Ergo bin ich per definitionem Seiner Heiligkeit zu meinem Vergnügen hier …«, lächelte Paris geheimnisvoll und zwinkerte mir zu.
    Was hatte Giovanni vor? Ich nickte Pietro Bembo, Baldassare Castiglione, Tommaso Inghirami und Bernardo da Bibbiena zu und ging zu ihm hinüber. Paris folgte mir in die Stanza des Heliodor.
    Papst Leo war in die Betrachtung des Freskos der Befreiung des Petrus versunken, die ihn immer wieder faszinierte. Sein Bruder Giuliano de’ Medici, Gonfaloniere der Kirche und Herzog von Nemours, stand neben ihm. Giuliano umarmte mich zur Begrüßung und stellte mir seine Gemahlin Filiberta vor, als ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Herzog Francesco mit Eleonora am Arm die Stanza betrat.
    Francesco war also aus Urbino nach Rom gekommen! Im Stillen dankte ich Gott, dass der Herzog endlich nachgegeben hatte. Eleonora lächelte mir zu, als Giovanni meine Hand ergriff und auf den Engel im Fresko deutete.
    »Dieser rettende Engel, der Petrus aus seinen Ketten und die Kirche von ihren Dogmen befreit, ist mein Freund und Lehrer Giovanni Pico della Mirandola.«
    »Ja, das ist er.«
    »Und er ist es auch wieder nicht«, forderte Giovanni mich heraus. »Du hast wirklich ein unglaubliches Talent, Raffaello: Er ist es und er ist es nicht!
    Im Credo hast du Platon mit erhobenem Finger gemalt, auf die Quelle der göttlichen Inspiration deutend, während Aristoteles auf die Erde zeigt, den Ausgangspunkt aller naturwissenschaftlichen Studien. Mit diesen beiden einfachen Gesten hast du es verstanden, die Essenz ihrer Philosophien darzustellen. Im Elysion wiederum hast du uns gezeigt, wie du mehrere Personen und ihre Intentionen in einer einzigen gemalten Figur vereinen kannst. Auch im Engel der Befreiung des Petrus hast du drei Figuren vereint: einen Boten Gottes, der Petrus befreit. Giovanni Pico della Mirandola. Und dich selbst, mio angelo .«
    Ich sah ihn überrascht an.
    Giovanni deutete auf das Fresko. »In der Mitte sehen wir den Engel Raffaello, wie er sich über den schlafenden Petrus beugt, um ihn zu erwecken und aus seinen Ketten zu befreien. Die Wächter, die wie Papst Julius so treffend bemerkte, die Gesichter von Kardinälen tragen, schlafen und bemerken nicht, was vorgeht. Nicht einmal ich habe es bemerkt, obwohl ich dir an deinem ersten Tag im Vatikan eine Regel mit auf den Weg gab: Ecce, nova facio omnia – Seht, ich mache alles neu. Du hast alles neu gemacht und niemandem etwas davon gesagt. Und wir Kardinäle haben es nicht gemerkt.« Giovanni lachte, dann deutete er auf die rechte Seite des Freskos. »In der folgenden Szene sehen wir, wie der Engel Raffaello Petrus’ Hand ergriffen hat, um ihn eine Treppe hinunterzuführen. Bisher habe ich diese gemalten Stufen für einen perspektivischen Kunstgriff gehalten. Aber heute ist mir bei der Betrachtung des Bildes klar geworden, dass der befreite Petrus herabsteigen muss – zu den Menschen, den Gläubigen.« Giovanni wandte sich zu mir um und flüsterte verschwörerisch. »Wirst du mir dabei helfen, Petrus und seine Kirche zu führen, angelo Raffaello?«
    Ich sah erst ihn überrascht an, dann Paris de Grassis, der mich verschmitzt angrinste. Was hatte Giovanni vor?
    »Wie soll ich dir helfen, Giovanni?«, fragte ich ihn.
    »Ich will, dass du am Laterankonzil teilnimmst«, sagte er.
    Ich glaubte, mich verhört zu haben. » Was soll ich?«
    »Du sollst am Konzil teilnehmen. Du wirst sie alle …« Giovanni deutete auf die anwesenden Kardinäle Alessandro Farnese, Rafaele Riario und Ippolito d’Este in der Stanza, »… jeden von ihnen, gegen die Wand reden.«
    »Ich bin kein Kardinal«, protestierte ich.
    » È vero , Raffaello! Noch nicht.

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