Der Fürst der Maler
unbezähmbar und tat mit mir, was sie wollte. Ihre dunklen Haare hatten sich gelöst und fielen ihr in ungebändigten Locken über die Schultern. Wie einen Schleier legte sie ihre Haare um uns. Ihre fordernden Hände, ihre Zunge, ihre Zähne und ihre Lippen setzten mich in Flammen.
Wir rieben uns aneinander, rangen miteinander um jeden Funken Lust, den wir aus unseren schwitzenden, sich windenden Körpern schlagen konnten. Wir hielten uns aneinander fest, um uns nicht zu verlieren. Nicht im anderen, nicht in uns selbst. Immer wieder hielten wir inne, um die Ekstase, den Vulkan unserer Lust zu bezähmen und den unvermeidlichen Ausbruch der Lava hinauszuzögern. Wir streichelten uns mit Händen und Blicken, küssten uns und bissen uns, kühlten uns ab und entflammten uns erneut aneinander. Keuchend beschleunigte sie das Tempo.
Gemeinsam durchquerten wir die himmlischen Sphären, stiegen hinauf zu den Göttern, dann stürzten wir zurück zur Erde. Eine Weile verharrten wir in unserer Stellung, unfähig, uns voneinander zu trennen. Zu intensiv waren die Gefühle der Lust gewesen, die uns verbanden.
Dann rollte sie sich neben mich und lächelte mich an wie ein Engel, der aus einem Gemälde von Fra Bartolomeo entkommen konnte.
»Du bist sehr talentiert, Maestro Raffaello. Nicht nur als Maler. Auch als Liebhaber!«, flüsterte sie und küsste mich.
»Ist die Position vakant?«, fragte ich.
»Jetzt nicht mehr!«
Taddeo hatte Eleonora eingeladen, mich jeden Tag zu besuchen, nachdem sie nach meinem Sturz darauf bestanden hatte, mich zu pflegen. Mit einem Funkeln in den Augen hatte sie eingewilligt. Während der nächsten Tage pflegte Eleonora mich hingebungsvoll, bis ich zum ersten Mal das Bett verlassen konnte. Sie las mir aus ihren Büchern vor, und ich lauschte träge dem Klang der lateinischen und griechischen Sprache. Sie sang schwermütige Lieder aus Mantua. Wir liebten uns leidenschaftlich, bevor sie jeden Abend ins Kloster von Santa Croce zurückkehrte.
Als Taddeos jüdischer Medicus mich untersucht und mir gestattet hatte, das Bett zu verlassen, ritten wir morgens am Arno spazieren, besuchten nachmittags Leonardos alchemistische Experimente im Konvent von Santa Maria Novella und diskutierten die halbe Nacht mit meinen Freunden über den Sinn und Unsinn des Lebens. Manchmal begleitete sie mich in eine der Kirchen von Florenz, wo ich Skizzen von den Fresken der großen Meister anfertigen wollte. An anderen Tagen sahen wir dem Calcio-Spiel auf der Piazza Santa Croce zu oder ließen uns mit einem Boot auf dem Arno treiben, um uns in einer versteckten Stelle im dichten Uferschilf zu lieben. Wir waren wie besessen voneinander.
Es war eine Zeit der Sinnlichkeit, der Lust und der Freude. Eine Zeit vollkommenen Glücks. Und ich genoss sie, solange sie andauerte.
Es war früher Morgen, als ich zum ersten Mal nach Wochen den zu meiner Werkstatt umgebauten Raum im Piano Nobile des Palazzo Taddei betrat. Taddeo und Baccio waren nach ihrer späten Rückkehr von einem Disput in Leonardos Werkstatt noch nicht aufgestanden, und auch Eleonora schlief noch selig nach einer leidenschaftlichen Nacht in meinem Bett. Sie war zum ersten Mal nicht ins Kloster zurückgekehrt.
Ich trat an die Staffelei und enthüllte das Bild von Felice. Lange stand ich wie verloren und starrte sie an.
»Meine geliebte Felice«, flüsterte ich, »ich habe seit Tagen nicht an dich gedacht. Verzeih mir!«
Mit dem Finger strich ich leicht über ihr schönes Gesicht, und es war doch nur die Farbe, die ich so sehnsüchtig liebkoste. Wie fern sie mir doch war! Rom schien am anderen Ende der Welt zu liegen. Unerreichbar …
Gedankenverloren verharrte ich vor der Madonna Felice, als ich Eleonora in der offenen Tür bemerkte. Wie lange hatte sie dort gestanden?
Sie lächelte nicht. Und sie sagte nichts.
Ihr Blick sprach mehr als tausend Worte.
»Ein Brief wurde für Euch abgegeben, Maestro.«
Ich hatte nicht bemerkt, dass ein Diener den Raum betreten hatte. Zu sehr war ich vertieft in meine Gedanken, zu beschäftigt mit dem Gemälde.
Orsinis Madonna war vollendet und würde in wenigen Tagen nach Rom geschickt werden. Ich hatte begonnen, für Taddeo eine andere Madonna zu malen, im Sinne seiner Freundschaft zu Michelangelo und mir, eine Maria mit Giovanni und Gesù. Der kniende Täufer überreicht dem Messias das Kreuz, während eine nachdenkliche Madonna mit Felices Gesichtszügen ihren Sohn hält. Eleonora hatte mir für die Skizze Modell
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