Der Fürst der Maler
Arm, um sie zur diplomatischen Vorsicht gegenüber Mantua zu ermahnen.
Francesco Gonzaga fand sich von zwei Seiten in die Ecke gedrängt. »Es geht dich nichts an, mit wem ich ins Bett gehe«, brüllte er. »Ich mische mich ja auch nicht ein, wenn du dir einen neuen Liebhaber nimmst, weil dein Gemahl Guido nicht in der Lage ist …«
In diesem Augenblick explodierte Guidobaldo da Montefeltro, der Herzog von Urbino, Schwager des Papstes und Gonfaloniere der Kirche, mit der seinen hohen Ämtern und Würden angemessenen imposanten Wirkung. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser und Teller klirrten. »Kein Wort mehr! Wir sind hier, um die Hochzeit meines Neffen Francesco mit Eleonora zu feiern, und nicht, um uns gegenseitig den Krieg zu erklären! Nicht wegen einer solchen Nebensächlichkeit wie der Frage, wer mit wem ins Bett gegangen ist.«
Caterina de’ Medici, die Geliebte des Herzogs, lächelte geheimnisvoll. Ihr schienen Guidos Fähigkeiten Vergnügen zu machen. Hatte sie doch das Elixirium Vitae gefunden, das ein langes Leben verlieh … und noch ein paar andere, lustvollere Befähigungen?
»Nebensächlichkeit?«, brüllte der Marchese seinen Schwager Guido an. »Hältst du es für unerheblich, dass dein Erbe Francesco, der Neffe des Papstes, nachts wie ein herrenloser Kater durch deine Stadt streift und unter den Fenstern der schönsten Mädchen von Urbino seine erotischen Canzoni singt wie einst Lorenzo de’ Medici in den Straßen von Florenz? Oder dass meine Tochter Eleonora, die nächste Herzogin von Urbino, sich einen Maler als Liebhaber genommen hat?«
Eleonora warf mir einen verzweifelten Blick zu.
Kardinal Ippolito d’Este, ihr Beichtvater, lächelte süffisant.
Guido sah den Marchese von Mantua verständnislos an. »Einen Maler?«, echote er. Der Schatten einer Erinnerung huschte über sein Gesicht. Entsann er sich der Affäre meines Vaters mit seiner Gemahlin Elisabetta?
Der Marchese deutete auf mich. »Eleonora hat eine Affäre mit Raffaello Santi. Schon seit Monaten. Ganz Florenz weiß davon.«
Herzog Guido betrachtete mich mit versteinerter Miene.
Francesco hatte sich erhoben. Er sah mich ernst an, traurig, aber auch zornig. Nicht, weil ich mit Eleonora eine Affäre gehabt hatte. Nicht, weil er eifersüchtig auf mich war. Er liebte Eleonora nicht.
In diesem Augenblick war ich mir der uneingeschränkten Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher.
Alfonso d’Este grinste amüsiert über mein respektloses Ignorieren von Stand und Ansehen der Familie Gonzaga. Francesco Gonzaga hatte seine Hände zu Fäusten geballt, als wollte er sich auf mich stürzen, um die Ehre seiner Tochter Eleonora zu retten. Guido schien von einem Santi nichts anderes erwartet zu haben. Wenn sein Blick ein Dolch gewesen wäre, hätte ich mich unter Schmerzen auf dem Boden gewunden und ihn um Gnade angefleht.
Eleonora war aufgesprungen, als könnte sie das Unvermeidliche verhindern. Sie war sehr blass, als sie mich ansah. Dann ergriff sie Francescos Hand, sagte aber kein Wort.
»Es ist besser, wenn du Urbino verlässt, Raffaello. Heute Abend noch!«, sagte Francesco mit tonloser Stimme.
Jeder von uns hat seinen Dämon. Unsichtbar, aber unübersehbar. Unhörbar, aber unüberhörbar. Wir wählen unseren Dämon als Begleiter, bevor wir von den himmlischen Sphären in diese Welt herabsteigen. Der Philosoph Plotin schrieb, dass wir unsere Körper, unsere Eltern, den Ort und die Umstände unserer Geburt selbst gewählt haben, damit sich unsere Bestimmung erfüllen kann.
Francesco konnte nicht anders handeln, als mich aus Urbino zu verbannen. Er musste als künftiger Herzog vor seinen Verwandten aus Ferrara und Mantua und vor den Verbündeten wie Machiavelli aus Florenz oder Orsini aus Rom, sein Gesicht wahren. Dass er damit meine Karriere als Maler vernichtete, wusste er. Ich sah die Traurigkeit und die Verzweiflung in seinen Augen, als er mich zum Abschied umarmte.
… damit sich unsere Bestimmung erfüllen kann! Was war meine Bestimmung? Das Gerücht über die Affäre des Malers mit der jungen Herzogin von Urbino würde sich an den Höfen Italiens schnell herumsprechen. In Mantua und Ferrara hatte ich keine Zukunft. Und in Florenz? Warum ließ ich nicht gleich meine Pinsel und Farben in Urbino zurück und hängte den Malerkittel an den Nagel? Meine Karriere als Künstler schien beendet. Doch – was sollte … was konnte ich anderes tun als malen?
Unser Dämon erinnert uns daran, was unsere Aufgabe
Weitere Kostenlose Bücher