Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
ein. Die Bestie kratzte an seinen Eingeweiden. Obwohl es klüger gewesen wäre, Berenike zurück auf ihr Zimmer zu schicken, legte er den Arm um sie. Es war der falsche Zeitpunkt, alte Geschichten zu erzählen, noch weniger eignete sich dieser Keller dazu, über die Zukunft zu sprechen, doch deren Gewicht senkte sich immer schwerer auf ihn, je länger sie beisammensaßen und schwiegen.
„Mein Rudel wird sich zu Anfang gegen dich stellen“, hob er bedächtig an. „Eine Affäre würden sie vermutlich dulden, so seltsam sie ihnen vorkommen mag. Aber das kommt für mich niemals infrage.“
„Ich …“
Er fiel ihr ins Wort, ehe ihn der Mut verließ. „Auch die Alphawölfe der anderen Sippen werden aufbegehren und mich zur Rede stellen. Das Leben an meiner Seite wird nicht immer leicht sein. Insbesondere zu Anfang. Wenn du erst meine Gefährtin bist, wirst du damit zurande kommen müssen.“
„Deine Gefährtin?“ Ihr Mund formte sich zu einer runden Rosenknospe. Scharf sah er sie an, sich des gelben Stechens seiner Augen bewusst. „Ist das denn möglich?“
„Wenn du mit mir lebst, dann als meine Gefährtin. Alles andere ist inakzeptabel. Ich dachte, das wäre dir klar.“
Ihre Fingerspitzen zupften an der Knopfleiste seines offenen Hemdes, während sie ihm tief in die Augen sah. „Darauf hatte ich gehofft, war mir jedoch unsicher, ob der Wolf das zulässt. Schließlich bin ich … anders.“
„Der Wolf will dich genauso sehr, wie ich dich will.“
Über die Bestie, die sie ebenfalls wollte, doch aus ganz anderen, blutrünstigen Ambitionen schwieg er. Berenike strahlte auf, bis sie einer dunklen Perle immer ähnlicher wurde. Ihre Haut schien das Licht der Kerze aufzusaugen, um es mit doppelter Strahlkraft wieder abzugeben. Es verschlug ihm den Atem. Er würde den Rest seines Lebens mit ihr verbringen. Das brachte ihn auf die nächste Sorge.
„Wirst du mich jetzt zu deiner Gefährtin machen, Juvenal?“, fragte sie und klang begierig.
„Dazu braucht es mehrere Nächte, und ganz sicher werde ich vermeiden, dass es bei Vollmond geschieht. Ich könnte dir Schmerz zufügen.“
„Darauf lasse ich es ankommen“, hauchte sie und zeichnete die haarige Linie auf seinem Oberkörper nach.
Abermals kam sie seinem Hosenbund sehr nah. „Da ist noch mehr, Nike. Ich bin um viele Jahre älter als du. Die Zukunft mit mir wird, anders als dein Leben, nicht ewig währen. Eines Tages wirst du vor meinem Scheiterhaufen stehen und am Ende tief bereuen, dass du dich an mich gebunden hast. Dir wird von mir nur eine Erinnerung bleiben. Auch das musst du dir bewusst machen.“
Gram huschte über ihre Züge. Ihre langen Wimpern warfen dunkle Halbmonde, als sie nach unten sah. Er hatte geahnt, dass er sie damit erschreckte. Das Glück mit ihm würde nur von kurzer Dauer sein, zumindest für ihre Begriffe. Bang wartete er auf ihre Antwort. Dann sah sie auf und umfasste sein Gesicht. Ihre Daumen streichelten über seine Wangen.
„Ein Tag des Glücks mit dir wiegt jedes Unglück auf. Ich könnte niemals, niemals darauf verzichten, mi cielo.“
Er hatte bisher nicht gewusst, dass sie die spanische Sprache fließend beherrschte. Dabei hätte er damit rechnen müssen. Lamia wechselten in der ihnen zur Verfügung stehenden Ewigkeit ihre Horte, und ihre Mutter hatte sie natürlich darauf vorbereitet, dass sie überall leben konnte. Mehr noch verdutzte ihn der Kosename.
„Du nennst mich deinen Himmel?“, fragte er belustigt und gerührt zugleich.
„Ja, denn so, wie der Himmel die Erde umspannt, umspannst du mein Dasein.“
Bei allen Höllenhunden! Die Bestie schäumte, da sie ahnte, dass sie in Zukunft gegen einen weiteren Willen angehen musste. Berenike blieb ein Geschöpf der Nacht, eine Kriegerin und eine Stütze in harten Zeiten, so wie er ihre Stütze sein würde. Sie küsste ihn fest auf den Mund, um ihre Worte zu besiegeln. Ihr Kuss flammte durch seine Adern.
„Wir warten, bis der Mond abnimmt“, ermahnte er sie.
„Zeit ist ein kostbares Gut. Ich war dem Erlöschen nah und will keine Stunde mit Warten vergeuden. Liebe mich. Machmich zu deiner Gefährtin. Heute Nacht.“
Er hätte noch etliche Einwände vorbringen können, doch ihre Lippen waren überzeugender als Vernunft. Zu viele einsame Nächte lagen hinter ihm, zu viele Stunden bar jeder Hoffnung auf glückliche Zeiten. Solange er vorsichtig war, konnte er das Drängen der Bestie im Zaum halten. Eng umschlungen sank er mit ihr in das raschelnde Heu. Das
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