Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
nach uns durchkämmt. Wir müssen fort.“
Anscheinend klärten sich die Sinne des Werwolfs. Seine abflauende Erregung war ein erster Hoffnungsschimmer. Juvenal schlug jäh mit der Faust auf die Wand ein und begann erneut zu brüllen.
„Weshalb hast du ihr diesen Scheißkristall nicht einfach gegeben?“
„Weil diese dämliche Kreatur blind ist!“, brüllte Mica zurück. „Wir haben ihr den Kristall direkt vor die Füße gelegt und sie hat ihn übersehen. Also müssen wir den Spiegel der Sonne in ein tiefes Gewässer versenken, damit wir sie endgültig loswerden. Am besten ins Meer!“
Juvenal blinzelte. Das Gelb seiner Iriden dämpfte sich zu tiefem Bernsteinbraun. „Unmöglich. Ich kann nicht gehen. Nicht jetzt.“
„Nicht jetzt? Willst du warten, dass die Asrai euch überwältigt, während ihr euch um jede Vernunft vögelt, zum Teufel noch eins?“
Bei Juvenal sprangen die Kiefernmuskeln hervor. Mit aller zur Verfügung stehenden Penetranz starrte Mica ihn nieder. „Warum wirfst du den Kristall nicht einfach in die Themse? Sie ist ein Gewässer und dazu ein nahes.“
Mica vergaß selten seine würdevolle Haltung. Diesmal war es so weit. Wild warf er die Arme in die Luft und versetzte Juvenal beinahe einen Nasenstümper. Dieser schlug nach seiner Hand. „Das ist eine selten gute Idee, Garou! Werfen wir den Spiegel der Sonne einfach so von einer Brücke in den Fluss. Dann sitzt die Asrai mitten in London bis an das Ende aller Tage. Die Bürger werden entzückt sein. Ganz zu schweigen davon, wie trefflich es sich fügt, sollte Grishan eines Tages hierher zurückkehren wollen. Diese Kreatur wird direkt vor seiner Haustür sitzen. Hast du darüber schon nachgedacht?“
„Wir würden dich auch hören, wenn du etwas leiser sprechen würdest, Mica“, mischte Berenike sich ein.
„Du hältst am besten den Mund, Nike.“
„Zeige etwas mehr Respekt vor deiner Schwester. Sie gehört zu mir, und ich dulde nichts anderes.“
„Deinen Respekt kannst du dir …“ Mica stockte und versagte sich weitere Unflätigkeiten. „Von mir aus kannst du dein Leben riskieren, Juvenal, aber das meiner Schwester bringst du nicht in Gefahr. Berenike, du kommst mit mir. Sofort.“
Sie rührte sich nicht vom Fleck. Fragend sah sie zu Juvenal auf und wieder zurück zu Mica. „Ich werde da sein, wo Juvenal ist“, sagte sie fest.
Juvenal setzte die Hände in die Hüften. Diese waren schmal und gingen in lange, kräftige Beine über. Schweißtröpfchen glitzerten auf seinem Brustkorb. Allein die straffe Haut und der Körperbau eines Kriegers hätten Mica Appetit gemacht, wenn er nicht vollauf damit beschäftigt gewesen wäre, sie alle außer Reichweite der Asrai zu bringen, so schnell es ging. Gelassener als bisher brachte der Werwolf seine Bedenken vor.
„Es ist hell und du wirst in Schlaf fallen, sobald du hinausgehst. Und ich muss zwei weitere Nächte in einem abgedunkelten Raum verbringen. Für uns beide ist es unmöglich, einfach so hinauszumarschieren auf die Landstraße. Sei es nun am Tag oder bei Nacht. Zudem ist die Zeit der Markierung … Ich brauche noch mindestens eine Nacht, Mica.“
„Jede Stunde zählt. Ich habe bereits Vorsorge getroffen, damit wir reisen können. Grishan besorgt eine Kutsche. Sobald er zurück ist, brechen wir auf.“
„Du hast Grishan animiert, eine Kutsche zu stehlen?“, stieß Juvenal fassungslos aus.
„Wir haben kein Geld und mir waren die Hände gebunden. Geht nach oben, zieht euch an.“
Eine tiefe Steilfalte drückte sich zwischen Juvenals Augenbrauen. Zögernd klaubte er seine Hose vom Boden auf und stieg hinein. Dabei murrte er spanische Flüche vor sich hin. Auch Berenike rappelte sich auf und schlang die Decke enger um sich.
„Glaubt mir, eine andere Lösung wäre auch mir lieber“, meinte Mica versöhnlich.
„Dreh dich um!“ Juvenal schnappte nach ihm, schüttelte das Heu von Berenikes Nachthemd und reichte es ihr. „Du musst sie nicht unbedingt nackt sehen.“
Mica hatte bereits alles von ihrem feingliedrigen Körper gesehen, was es zu sehen gab. Um keine weitere Auseinandersetzung zu provozieren, kehrte er den beiden den Rücken zu. Als er sich wieder umdrehte, standen sie eng umschlungen vor ihm. Ihre Finger wühlten durch das kurze, schwarze Haar des Werwolfs, während seine Hände drängend über ihren Rücken glitten und sie enger umfassten. Ihr Kuss verriet einen unstillbaren Hunger. Mica knirschte mit den Zähnen.
„Das reicht. Wir müssen
Weitere Kostenlose Bücher