Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
Wohlergehen veranstaltet. Immerzu fürchtet er, ich könnte die falschen Quellen auswählen. Wenn es nach ihm ginge, würde ich mich ausschließlich von Personen ernähren, in deren Aderndas Blut eines alten Stammbaumes fließt. Darin ist er unbelehrbar. Für ihn machen Kleider Leute, und wer keine guten Kleider trägt, kann auch kein gutes Blut in sich tragen. Also nein, ich bin keineswegs einsam.“
Das alles waren lediglich Worte, und dass er so viele fand, um sie vom Gegenteil zu überzeugen, verschärfte ihren Verdacht. Ihm musste etwas fehlen. Zumal sein Lächeln viel zu strahlend und unbeschwert ausfiel. Anstatt es zu erwidern, hielt sie ihre Tränen zurück. War dies der Preis für ein ewiges Leben? Dann war sie froh, es auf andere Weise fortsetzen zu dürfen. All die Lobpreisungen ihrer Mutter über das alte Volk im Allgemeinen und Mica im Besonderen hatten wohlweislich verhehlt, dass jeder von ihnen zum Außenseiter und Einzelgänger bestimmt war. Wie stets deutete er ihren geneigten Kopf richtig.
„Nike, ich bin wirklich nicht einsam. Neben Saint-Germain habe ich einen Kreis von Vampiren in Paris um mich versammelt. Wenn sie mich einmal nicht persönlich aufsuchen und mir ihr Leid klagen, überschwemmen sie mich mit Petitionen und erwarten meine Stellungnahme. Direkt aus meinem Mund. Es gibt sehr viele Versammlungen.“
Petitionen und Versammlungen mochte es gegeben haben, bevor er an einen Frieden mit den Werwölfen gedacht hatte. Seit er jedoch die Erwartungen seiner Anhänger übersah, erlebte er Kritik und Beschwerden, vielleicht sogar Beleidigungen. Es wäre klüger, das Thema auf sich beruhen zu lassen, aber sie war in diesem Punkt nicht besonders klug. „Das meinte ich nicht, Mica. Vampire und gewisse Sterbliche mögen dich anbeten und verehren, doch wer von ihnen wagt einen direkten Blick in deine Augen? Bei aller Bewunderung kann man dennoch einsam bleiben.“
Im letzten Moment verkniff sie sich die Erwähnung von Marie. Eine der wenigen Sterblichen, die das Wagnis eingegangen war, mit ihm zu leben und sein Kind zu gebären. Gewiss hätte sie auch genügend Stärke und Mut aufgebracht, um die Ansprüche eines Alphawolfes zu erfüllen. Zum ersten Mal bedauerte sie es, dieser Frau nie begegnet zu sein. Dieser Schäfertochter von ungewöhnlichem Format.
„Oh, du vergisst meine Tochter Florine“, erwiderte er leichthin. „Sie setzt auf frontale Blicke in meine Augen, vor allem dann, wenn es gilt, ihren Willen durchzusetzen.“
Das glaubte Berenike unbenommen. Irgendwann würde sie ihre sterbliche Nichte kennenlernen. Vielleicht auf einer Art Hochzeitsfest in Andalusien, das die gesamte Sippe der Garou vereinte. Mit auffallend ansteigender Begeisterung fuhr Mica fort.
„Außerdem ist da meine Enkeltochter. Celeste. Sie ist so klein und liebenswert. Und sie liebt ihren Pépé bedingungslos.“
Diesmal war sein Lächeln aufrichtig. Verdutzt starrte Berenike ihn an. „Sie sagt Opa zu dir?“
„Ich bin schließlich ihr Opa. Wie sollte sie mich sonst nennen?“
Vermutlich Mica, so wie alle aus der Familie ihn nannten. Er war so fern von einem Großvater wie Adonis von einer warzenbesetzten Kröte. Eines Tages würde Celeste feststellen, dass ihr Pépé anders war als andere Großväter. Angefangen mit dem Aussehen eines jungen, überaus bestrickenden Mannes. Würde sie dann stolz an seinem Arm die Oper oder einen Ball besuchen und mit ihm tanzen? Oder würde sie sich vielmehr von ihm abwenden, sobald sie sich der eigenen Vergänglichkeit bewusst wurde? Es war leicht, für diese Gabe beneidet und gehasst zu werden von den Sterblichen. Womit die nächste Sorge aufkeimte.
„Mica, hast du etwa vor, deinen sterblichen Nachkommen ein ewiges Leben zu gewähren, indem du ihnen dein Blut schenkst?“
Aus schmalen Augen blickte er zu dem Gehöft, dessen beleuchtete Fenster aus der Dunkelheit vor ihnen auftauchten. Seine Stimme wurde zu Eis. „Was spricht dagegen? Sie sind ein Teil von mir. Natürlich werde ich ihnen dieses Geschenk anbieten. Florine hat es ausgeschlagen. Noch. Sie wird sich anders besinnen. Und sollte es ihr Wunsch sein, dass ich ihrem Gefährten von meinem Blut gebe, so wird auch das geschehen. Obwohl es andere gibt, die es eher verdient hätten.“
„Ich habe gehört, dass Sterbliche verrückt werden, wenn sie die ihnen bemessene Zeit auf Erden überdauern. Ihr Verstand verkraftet es nicht.“
„Dummes Geschwätz“, fauchte Mica. „Sei ehrlich, Nike. Wenn du die Wahl
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