Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
Wasser nach seinem Willen lenken und besteht vielleicht sogar daraus.“
„Nike, halte dich heraus. Du schweifst ohnehin vom Thema ab“, sagte Mica, ohne den Kopf zu heben.
„Verstehe, der Miezekater darf alles behaupten, wohingegen meine Informationen kurzerhand beiseitegefegt werden. Es kann sehr wohl sein, dass es hier nicht um das Leben irgendeines Werwolfes geht, sondern um etwas ganz anderes. Dieses Wasserwesen sprach zu mir von einem …“
„Ich bin kein Kater! Und Gilian war nicht irgendein Werwolf, sondern mein Ziehvater!“, donnerte Grishan aus vollen Lungen und sprang vom Teppich auf.
Melody wurde es zu viel. Mit einem erstickten Laut flüchtete sie aus dem Salon. Sancho folgte ihr gemessener und wurde von Grishan überholt, der an ihm vorüberstürmte. Dank des Omega fiel die Tür leise ins Schloss, doch aus der Halle kam ein Scheppern, das darauf hinwies, dass Grishan in seinem Jähzorn etwas zerschlagen hatte. Angestrengt hielt Juvenal an sich. Überdruss vermischte sich mit seinem Verlangen nach einer Frau. Wenn nur dieser aufreibende Tag endlich ein Ende finden würde.
„Ich habe einen Vorschlag“, sagte Mica. „Überlass es mir, mit Branwyn zu reden. Sollte er mich belügen, merke ich es sofort. Falls er Gilian auf dem Gewissen hat, ziehe ich ihn persönlich zur Rechenschaft und gehe in aller Härte gegen ihn vor. Du hast mein Wort darauf.“
„Es ist nicht an dir, Gerechtigkeit zu üben, Mica.“
„Herrschaftszeiten, Juvenal! Weshalb muss …?“ Der Vampir stockte, ballte die Faust und löste sie wieder. „Nun gut. Stelltsich seine Schuld heraus, überlasse ich Branwyn dir. Bist du damit zufrieden?“
Mica streckte ihm die Hand entgegen. Schlanke Finger, über die sich makellos weiße Haut spannte. Vampire konnten ihre Hände in Scheiße graben, und wenn sie sie wieder hervorzogen, reichte ein Schütteln, um Dreck und Gestank loszuwerden. Juvenal verdrängte diese Gedanken. Es wäre sein zweites Abkommen mit dem Großmeister der Vampire und er wusste aus Erfahrung, dass er seine Versprechen einhielt. Nach kurzem Zögern schlug er in die Hand ein. Hart drückte Mica zu.
„Ich habe eine weitere Bitte an dich, Juvenal.“
Was sonst? Ein Vampir gab sich selten mit einem einzigen Zugeständnis zufrieden. Juvenal entzog ihm seine Hand und maß ihn argwöhnisch. Ungeachtet dessen sprach Mica seine Bitte aus.
„Solange ich in London weile, benötige ich einen sicheren Ort. Weniger für mich denn für meine Schwester. Ich möchte, dass Berenike in deiner Obhut bleibt, während ich mich mit Branwyn befasse.“
Bevor Juvenal an Ablehnung denken konnte, brauste Berenike auf.
„Ich denke nicht daran, in der Nähe dieses Wüstlings zu bleiben!“
In einem Wirbel aus Altrosa sprang sie auf und rannte auf die Tür zu. Blitzartig schnitt Mica ihr den Weg ab und umschlang sie. Worte flossen über seine Lippen, ähnlich dem Murmeln eines Bachlaufs. Zu leise, um verstanden zu werden, aber Juvenal lag ohnehin nichts daran. Noch weniger gefiel ihm, die Lamia in diesem Haus zu haben. Überall in London gab es Herbergen, in denen sie besser aufgehoben wäre. Vor allem weit entfernt von ihm. Er hatte die Nase voll von diesem perfiden Frauenzimmer.
Sie hob die Stimme. „Das ist nicht wahr.“
Das Murmeln setzte sich fort, während Berenike zu ihrem Bruder aufsah. Mehr denn je wirkte sie wie ein schutzbedürftiges, vom Schicksal gebeuteltes Mädchen. Sie grub die Hände in seine Hemdbrust.
„Was bin ich dann, Mica? Was bin ich?“
„Das weiß ich auch nicht.“
An dieser Antwort zerschellte ihr Aufbegehren. Als Mica von ihr abließ, blieb sie mit hängenden Armen und gesenktem Kopf an der Tür stehen. Das Braun ihrer Mandelaugen war stumpf geworden. Mica kehrte zu Juvenal zurück und lächelte freimütig.
„Unser Aufenthalt währt höchstens ein oder zwei Nächte. Die Angelegenheit mit Branwyn ist schnell geklärt. Wirst du auf sie achten?“ Da Juvenal mit einer Antwort zögerte, senkte Mica die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. „Den Spaß an weiterem Schabernack habe ich ihr ausgetrieben. Und von dir sind künftig wohl auch keine Eskapaden zu erwarten. Oder täusche ich mich?“
Spott und unterschwellige Neugier schwangen in der Frage mit. Entrüstet straffte Juvenal den Rücken. Schabernack war eine unangemessene Umschreibung für das anrüchige Spiel mit einem Federbüschel. Mit allem, was ihm an Willenskraft zur Verfügung stand, hatte er sich dagegen gewehrt, unter
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