Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
lenken, konzentrierte sie sich auf Melody. Der Geist der Omega war schwach. Es war ein Leichtes, Bilder hineinzusenken. Eine biegsame Haselrute, von einer harten Hand geführt. Juvenals Hand. Die Rute zischte durch die Luft. Auf und ab. Unentwegt klatschte sie auf nacktes Fleisch. Stockende Atemzüge drangen durch die Tür. Es funktionierte. Ihr Talent für Blendwerk war erhalten geblieben.
Der Riegel knirschte und wurde von Melody geöffnet. Langsam zog Berenike die Tür auf und trat über die Schwelle. Melody wich an die gegenüberliegende Wand zurück und sank dagegen. Sie schnaufte wie ein Walross.
„Es ist gut so und richtig“, zirpte Berenike ihr zu. „Deine Strafe wird furchtbar sein, doch du wirst sie klaglos erdulden. Das ist es, wozu du bestimmt bist, Melody.“
Melody rutschte an der Wand nach unten in einen tiefen Knicks. „Ja, Mylady.“
Berenike ging auf sie zu, hob das Kinn der Rudelwölfin an und blickte ihr tief in die Augen. Auf gewisse Grausamkeiten verstand sich nur eine Lamia. Der Biss scharfer Fänge, ein alles umfassender Schmerz vermengt mit vollkommener Erfüllung. Melody bekam glasige Augen. Sie stöhnte auf und neigte den Kopf zur Seite.
„Nehmt mich, Mylady!“
„Diese Bitte kommt um viele Monate zu spät“, hauchte sie und ließ von Melody ab.
Von einem Blick inbrünstiger Anbetung verfolgt, wich Berenike zurück. Die Wölfin verzichtete darauf, Alarm zu schlagen oder sie aufzuhalten. Die Hoffnung auf Strafe hinderte sie. Berenike gönnte ihr das Lächeln einer dunklen Gottheit, kehrte sich ab und ging ohne Eile davon.
Gemächlich trottete der Wolf aus dem Wald. In der Abenddämmerung hatte er einen Hasen erlegt, und ein weiteres Langohr würde er seinem kleinen Rudel mitbringen. Auf dem Acker legte er seine Beute ab und schüttelte sich. In einem Sprühregen flogen Wassertropfen aus seinem Fell. Der Geruch des Waldes und ein gefüllter Magen hatten seine innere Unrast vertrieben. Nur noch vage erinnerte er sich an die Aufregung des Tages. Er setzte sich auf die feuchten Erdknollen und reckte die Nase dem Mond zu. Seine Nüstern blähten sich.
Was war das? An der Mauer des Anwesens ging etwas vor. Eine Blume auf zwei Beinen lief über die Landstraße. Ihre Schritte waren so lang, dass ihr Rock aufwehte. Selten dachte der Wolf in Namen, doch der ihre hallte unvermittelt in seinem Kopf. Be-re-ni-ke. Mit gespitzten Ohren sprang er auf und folgte ihr. Sein schwarzes Fell ließ ihn mit der Nacht verschmelzen, dennoch hielt er Abstand, bis die Felder in Grünanlagen übergingen, deren Bäume und Sträucher Deckung boten.
Der Mann in ihm gewann an Präsenz. Berenike sollte im Haus sein, anstatt in einem Park herumzulaufen. Er musste sie aufhalten, bevor sie die Stadt erreichte. Sobald sie auf die Straßen trat, musste er zurückbleiben. Ein Wolf mitten in London würde eine Panik auslösen. Wie sollte er vorgehen? Die Bestie in ihm drängte danach, die Zähne in ihren Rock zu schlagen und sie wie ein Schaf in seinen Hort zu treiben, während der Mann in ihm über eine sanftere Methode nachsann, sie zur Umkehr zu bewegen. Sie war langsamer geworden, sodass er aufholte und sich unter ein Gebüsch duckte, damit sie ihn nicht zu früh bemerkte. Unerwartet wurde ihm die Entscheidung über das weitere Vorgehen abgenommen.
Neben Berenike stürzte ein Fremder aus dem Schatten der Bäume und rannte auf sie zu. Juvenal zog die Lefzen zurück, machte einen Satz nach vorn und presste sich zugleich wieder zu Boden. Berenike konnte sich selbst verteidigen. Als der Mann sie erreichte, warf sie sich in eine tänzerische Drehung, ließ ihr Bein vorschnellen und trat ihm mit dem Fuß vor die Brust. Die Wucht ihres Tritts schleuderte den Schurken durch die Luft. Während er auf den Kiesweg krachte, ordnete sie ihre Rockfalten und setzte ihren Weg fort, als wäre nichts geschehen. Juvenal brummte zufrieden über die präzise Effizienz, die auch ihm eine Chance bot, und zwang sich in die Verwandlung.
Geduckt rannte er auf den Übeltäter zu, der die Arme um sich geschlungen hatte und sich herumwälzte. Ein erstickter Laut kam über seine Lippen, als aus der Dunkelheit ein Nackter auf ihn zusteuerte. Schreck und gewiss auch eine gebrochene Rippe beschränkten seine Gegenwehr auf ein ungezieltes Fuchteln. Juvenal vergalt es ihm mit zwei schallenden Maulschellen.
„Da hast du diesmal die Falsche überfallen, was? Dein Pech bleibt dir hold, Freundchen. Halt still!“
Er zerrte dem Kerl die Hosen
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