Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
dem aufreizenden Kitzel der Federn zu kommen. Und gleichzeitig hatte er sich nichts mehr gewünscht, als sich zu verströmen. Allein die Erinnerung an diesen Moment ließ seine Erregung heiß aufflammen.
„Von mir aus. Sancho wird sich um sie kümmern“, entfuhr es ihm, ehe er sich versah.
Es lag am Beben ihrer Lippen, das ihm dieses Zugeständnis abrang und keineswegs an seiner Neigung zu irgendeiner Eskapade. Davon war er felsenfest überzeugt.
Erneut war Berenike zu einer Gefangenen geworden, darüber täuschte das komfortable Zimmer nicht hinweg. Schwarz angelaufene Gitterstäbe vor dem Fenster vereitelten einen Fluchtversuch. Die Körperkraft einer Lamia hätte ausreichen müssen, um die Eisen aus dem Mauerwerk zu brechen, doch nach heftigem Rütteln und Zerren hatte sie die Stäbe lediglich ein Stück aufbiegen können. Ihre Kräfte ließen nach.
Sie drückte die Stirn gegen das kalte Eisen und sah über die Felder zu dem schwarzen Saum des Waldes an ihrem Ende. Der zunehmende Mond klebte darüber. Gleich diesem Gestirn hätte auch ihr Dasein in unabänderlichen Bahnen verlaufen sollen, aber der Fluch der Larvae hatte sie ihrer Zukunft beraubt. Sie war zu einem lästigen Überbleibsel geworden. Vom Bruder verraten und abgeschoben, von der Mutter vergessen. All die Worte, die Mica gefunden hatte, lasteten auf ihr wie ein viel zu schweres Gewicht. Einflüsterungen aus dem sinnlichen Mund des Goldenen. Dunkel wie Melasse. Mica hatte ihr die Kluft gezeigt, die sie von ihrem Volk trennte. Die Lamia würden kein Verständnis für ihre Veränderungen aufbringen, geschweige denn Mitleid empfinden. Sie hatte sich gegen ihre Blutlinie aufgelehnt, dem Willen der ältesten Lamia des alten Volkes zuwidergehandelt und war zu einer Schande geworden. Die Vorwürfe versengten ihr Herz, doch weitaus grauenhafter war die Zukunft, von der Mica gesprochen hatte. Die Vampire würden Anspruch auf sie erheben, auf die reinblütige Lamia, die das Gift in ihren Fängen verloren hatte. Die Stärksten und Ältesten unter ihnen würden zu einer Einigung gelangen. Jedem dieselbe Chance. Wollte sie von Vampir zu Vampir weitergereicht werden, um deren Nachkommen zu gebären? Die Frage hatte körperlichen Schmerz ausgelöst. Verweigerte sie ihrem Bruder den Gehorsam, blieb sie ihrem Schicksal überlassen, auf sich allein gestellt und verlassen.
„Du kannst dich noch so gut verstecken, Nike, sie werden dich finden. Und sie sind um keinen Deut gerechter oder gnädiger als eine Lamia. Dein Leben werden sie schonen und dir dafür dein Blut und deinen Willen nehmen. Soll es so enden?“
Zuletzt hatte er ihr den sinnbildlichen Todesstoß versetzt, ihr goldener, mit Worten so gewandter Bruder. Er hatte keine Ahnung, was aus ihr geworden war. Nur eines wusste er mit absoluter Gewissheit: War sie nicht fügsam, würde sie daran zugrunde gehen. Das Blut der Mechalath floss durch ihre Adern. Der Leib der ältesten Lamia hatte sie getragen und geboren,aber sie aß Äpfel und hatte jedes Bedürfnis nach dem Blut einer Quelle verloren. Was würde geschehen, wenn die Lamia es herausfanden? Sie würden die Schwächste ihrer Art töten, so wie es die eigene Mutter in Erwägung gezogen hatte.
Wenn sie nur Schlaf finden könnte, um die von Mica heraufbeschworenen Schreckensszenarien für eine Weile zu vergessen. Ihre Haut schien zu eng für all die Wahrheiten, die er in sie gepflanzt hatte. Es wollte ihr schier das Herz abdrücken. Sie war so niedergeschlagen, dass sie sogar der Hass eines Werwolfs verletzte. Ja, Juvenal hasste sie. An seinen Augen hatte sie es erkannt. Schwarz waren sie gewesen. Ungnädig. Über so viele Jahre war sie geliebt worden. Einzig Geringschätzung war geblieben. Fest presste sie die Hand auf die Brust, um das Stechen in der Herzgegend zu lindern.
Konnte Gram töten? Beinahe wünschte sie es sich. Dann wäre alles vorüber. Niemand würde sie vermissen. Natürlich würde Selene eine oder zwei Tränen hervordrücken und die winzigen Diamanten in Erinnerung an ihre Tochter zu Ohrringen fassen lassen. Und Mica? Er würde an ihrem Grab stehen, betroffen dreinblicken und sie kurz darauf vergessen. Die jüngste Lamia, der Schandfleck des alten Volkes, würde sehr schnell in Vergessenheit geraten. Weshalb hatte es sie getroffen? Sie hatte doch alles darangesetzt, um dieselbe zu bleiben. Vergeblich.
Das Stechen in ihrer Brust erlangte eine Gewalt, die ihr Herz zerreißen wollte. Ihre Augen brannten und flossen über. Flüssigkeit
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