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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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einen derartigen Posten?«
    »Mi dücht, der hat goode Beziehungen. Jan meent, dat Wilkens schon immer in krumme Geschäfte verwickelt wor.«
    Hinter ihnen ertönte ein lautes Rumpeln; es bildete sich ein Menschenauflauf. Bei einem der überladenen Karren war die Achse gebrochen, und das Gefährt versperrte nun den Weg. Kettenburg ließ sich nicht weiter davon beirren und starrte auf seine Uhr.
    »Ist der Kerl hier irgendwo?«
    »Er hülpt den anderen im Erdgeschoß biem Kistenschleppen«, antwortete der dicke Officiant.
    »Gut, dann schnappt euch diesen Wilkens und bringt ihn in irgendeinen der leergeräumten Nebenräume. Ist mir gleich, wo. Hauptsache, ihr seid dort mit ihm allein.«
    »Dat wird nich eenfach werden, Herr Polizeiaktuar.«
    »Ist mir völlig egal, wie ihr das anstellt«, brauste Kettenburg auf. »Lasst euch was einfallen. Wenn ich mein Tête-à-tête mit dem Senator hinter mir habe, treffen wir uns unten in der Empfangshalle. Verstanden?«
    Bordiert nickte.
    »Gut. Beeile dich!« Kettenburg zog seine Aktentasche an die Brust und humpelte auf seinen Dienststock gestützt auf den Eingang des Rathauses zu. Biow würde ebenfalls noch von ihm hören.
    Nachdem er sich an den Uniformierten vorbeigedrängt hatte, hielt er in der weiträumigen, mit steinernen Büsten ausgekleideten Empfangshalle des Rathauses einen jungen Schreiber an. Dieser brachte ihn in den im ersten Stock gelegenen Neptunsaal, benannt nach einer Marmorstatue dieses Gottes, die Hamburg vor hundertsiebzig Jahren von einer venezianischen Gesandtschaft geschenkt bekommen hatte. Als er den Saal betrat, entdeckte er Polizeisenator Binder, der zusammen mit einem Dutzend Senatoren, Militärs und Adjutanten um einen großen Tisch stand und Kriegsrat hielt. Der Tisch war mit Stadtteilplänen und architektonischen Skizzen bedeckt. Die Herren wirkten bedrückt und unentschlossen.
    Kettenburgs Verbeugung und seine gemurmelte Begrüßung wurden kaum zur Kenntnis genommen. Erst jetzt erkannte der Polizeiaktuar, dass auch Adolph Repsold anwesend war. Die vormals weiße, leinene Schutzjacke des Oberspritzenmeisters war rußverdreckt, und der Mann wirkte erschöpft. Erregt nestelte er an einem breiten, ledernen Hut mit der vorn hochgeschlagenen Krempe, die für die Wittkittel charakteristisch war.
    »… unmöglich, datt all zu löschen!« hörte Kettenburg den Feuerwehrmann resigniert sagen. »Alle vierunddreißig Landspritzen und alle elf Schiffsspritzen sind im Einsatz. Wir haben das knapp überschlagen. In den Speichern jenseits des Hopfenmarkts befinden sich gut fünfhundert Hektoliter Arrak, fünfzig Tonnen Zucker und noch mal fünfzig Tonnen Lacke. Ganz zu schweigen von den Unmengen an Wurzelholz. Gummi und Kampfer. Unglücklicherweise haben viele der verängstigen Arbeiter die in den Gebäuden lagernden Spritfässer aufgeschlagen und in die Fleete gekippt. Und mit dieser Brühe versuchen meine Männer nun zu löschen.«
    »Herrje, Repsold«, fuhr ihn der Polizeisenator an und klemmte sich ein Monokel in Auge, »Hamburg verfügt, alle Freiwilligen mit eingerechnet, über fast eintausendzweihundert Feuerwehrleute. Denen wird es doch wohl möglich sein, diesen Brand zu bekämpfen.«
    »Der Wind hat auf West gedreht«, gab Repsold zu bedenken. »Das Feuer erreichte inzwischen sogar die Häuser des Hopfenmarkts. Wir erleben hier den Beginn einer Katastrophe, wie sie Hamburg bis heute nicht erlebt hat.«
    »Nun wollen wir aber nicht dramatisieren! Hauptmann!« Binder wandte sich an einen der Offiziere. »Wie sieht es mit den Soldaten aus? Können die nicht helfen?«
    »Selbstverständlich!« erklärte der Mann zackig. »Aber sie sind nicht für einen solchen Einsatz ausgebildet. Uns fehlen vor allem Pioniere.«
    In diesem Augenblick stürmte der junge Schreiber in den Saal, der Kettenburg nach oben geführt hatte.
    »Hochweise Herren«, sprach er die anwesenden Senatoren aufgeregt an. »Soeben erreicht uns die Meldung der Torschreiber, dass Altona und Wandsbek Verstärkung geschickt haben. Und aus Lübeck ist die telegraphische Meldung eingetroffen, dass die Stadt ihre gesamte Feuerwehr in Richtung Hamburg in Marsch gesetzt hat. Sie wird gegen Abend eintreffen.«
    »Na also!« triumphierte der Polizeisenator und wandte sich wieder Repsold zu. »Damit werden Sie doch etwas anfangen können, oder?«
    Der Oberspritzenmeister schüttelte verzweifelt den Kopf. »Herr Senator, die Hilfe kommt zu spät. Die Häuser sind trocken wie Zunder, und der Wind treibt

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