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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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die Funkenflut immer weiter nach Osten. Darf ich einen kühnen Vorschlag unterbreiten? Lassen Sie einige Häuserzeilen sprengen. Diese Methode war schon damals, Anno 1684, bei dem Großbrand auf dem Schiffbauerbrook erfolgreich. Damit schlagen wir eine Schneise in das Häusermeer, die den Flammen die Nahrung entzieht. Ich habe mir bereits erlaubt, zwei der Corporale darum zu bitten, den benötigten Sprengstoff aus den Pulvermagazinen schaffen zu lassen.«
    »Wie bitte?« begehrte der Polizeisenator auf. »Sie schlagen allen Ernstes vor, halb Hamburg in die Luft zu sprengen? Wissen Sie, was das die Stadt allein an Regressansprüchen kosten wird?«
    Einer der anderen Senatoren, ein Mann mit schmalen Lippen und fliehender Stirn, trat an die Seite Binders und musterte den Oberspritzenmeister herablassend. »Ich schlage vor, Sie verbessern lieber die Disziplin Ihrer Leute, bevor Sie uns mit solchen Vorschlägen kommen. Wie man mir vorhin zugetragen hat, tun sich einige der Wittkittel lieber an den Weinvorräten der Speicher gütlich, anstatt den Brand zu bekämpfen.«
    Repsold starrte den Mann brüskiert an.
    »Auf diese Gerüchte sollte man nicht zuviel geben«, mischte sich Kettenburg ungefragt in die Auseinandersetzung ein, und die Männer wandten sich ihm überrascht zu. »Schwarze Schafe gibt es überall. Außerdem handelt es sich bei den Männern da draußen größtenteils um Freiwillige. Ich habe sie gegen die Feuerbrunst kämpfen sehen. Für das Wohl der Stadt geben sie ihr Letztes.«
    »Das will ich auch hoffen«, erwiderte der schmallippige Senator kühl.
    »Nun, ich habe die anwesenden Herren gewarnt«, erklärte Repsold bitter und warf Kettenburg einen dankbaren Blick zu. Dann setzte er sich den Helm wieder auf. »Meine Herren. Meine Anwesenheit wird da draußen benötigt.«
    Grußlos verließ der oberste Spritzenmeister den Saal.
    »Gut, dass Sie endlich gekommen sind, Kettenburg«, erklärte der Polizeisenator und rückte sein Monokel zurecht. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass in den betroffenen Straßen die Anarchie um sich greift. Schon jetzt brechen Plünderer in Speicher und Wohnhäuser ein und tun sich am Vermögen braver Bürger gütlich. Ich wünsche, dass Sie jeden verfügbaren Mann im Stadthaus aufscheuchen und hinaus auf die Straße schicken.«
    Kettenburg lächelte schmal. »Natürlich, Herr Polizeisenator.«
    Als ob das nicht längst schon geschehen wäre. Und dafür hatte ihn der Senator ins Rathaus bestellt? Das umständliche Gehabe dieses Mannes ärgerte ihn zunehmend.
    Binder wandte sich wieder dem Tisch mit den Plänen zu. »Und nun, meine Herrschaften, lassen Sie uns überprüfen, wie viele der Liegenschaften in dem betroffenen Gebiet den Herren Senatoren gehören. In wenigen Stunden tritt der Senat zusammen – und natürlich erwartet man von mir, dass diese Objekte besonders …« Der Polizeisenator wandte sich ungeduldig zu dem Polizeiaktuar um. »Ist noch irgend etwas, Kettenburg?«
    »Nein«, antwortete dieser und setzte seinen Zweispitz auf. Ebenso grußlos wie Repsold wenige Minuten zuvor verließ er den Neptunsaal und hinkte hinunter in die Empfangshalle. Dort herrschte ein Kommen und Gehen. Noch immer waren die Uniformierten damit beschäftigt, Kisten mit Akten auf den Vorplatz zu schaffen.
    Kettenburg warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Diese so genannte Besprechung hatte keine zwanzig Minuten gedauert. Wo waren Bordiert und sein Kollege?
    Endlich entdeckte er den ehemaligen Uhlen. Borchert stand in einem schmalen, dunklen Gang, nicht weit von der geschwungenen Treppe zum Obergeschoß, und winkte ihm verstohlen zu. Der Gang führte zu den Schreibstuben der Registratur.
    Kettenburg sah sich kurz um, doch keiner der Uniformierten beachtete ihn. Er ging auf den dicken Konstabler zu. »Und?«
    »Wi hebben ihn«, erklärte Borchert und kratzte sich aufgeregt am Bauch. »Wi hebben ihm verteilt, wi brauchen ihn beim Tragen. Dann hebben wi ihn överwältigt un wie een Paket verschnürt. Er liegt dor hinnen.«
    Er deutete auf eine Tür ganz am Ende des Gangs.
    »Gut.« Kettenburg zwängte sich an Borchert vorbei, und gemeinsam betraten sie ein Zimmer, dessen Wände mit leerstehenden Regalen gesäumt waren. Am Boden vor einem Schreibtisch lag gefesselt und geknebelt ein mittelgroßer Mann mit pomadigem Haar und einem Schnauzbart, der bis weit über die Wangen reichte. Aus aufgerissenen Augen starrte er sie an. Neben ihm stand Borcherts Freund Jan. Seine neue Uniform wirkte etwas zu groß

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