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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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schickt Sie den jung Mann nich eenfach een poor Stünnen froher t’röch? Denn könnt er Sie un Mamsell Lewald vor den Doktor warn.«
    »Genau genommen wären noch ganz andere Dinge möglich«, seufzte Heine. »Man könnte auch versuchen, den Brand zu vereiteln. Oder: Metternich – als Kind – mit den Ideen der Revolution vertraut machen. Man könnte viele Dinge versuchen. Aber ich glaube nicht, dass das gelingt.«
    »Warum nich?« wollte Borchert wissen.
    »Weil wir dann nicht hier wären«, erklärte Heine. »Sicher, dies ist ein philosophisches Problem. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass sich die Vergangenheit nicht ändern lässt. Was geschähe denn mit uns Zurückbleibenden, wären solche Eingriffe möglich? Hier und jetzt?«
    Borchert klappte den Mund auf und zu und schwieg.
    »Lieber nehme ich hin«, fuhr der Dichter grübelnd fort, »dass unser junger Freund in Geschehnisse eingreift, von deren Ausgang ich noch keine Kenntnis besitze. Dann bleibt uns wenigstens die Hoffnung, etwas erreichen zu können.«
    Lewald nickte niedergeschlagen.
    »Sollte etwas missglücken«, unterbrach Lindley das philosophische Gespräch, »habe ich dafür gesorgt, dass die Kondensatoren der Maschine über genügend Spannung für eine zweite, vielleicht sogar eine dritte Reise verfügen. Letzteres kann ich aber nicht versprechen. Der Serumsbehälter unter dem Sitz enthält genug von der teuflischen Flüssigkeit für drei Injektionen. Vielleicht finden wir später noch etwas in der Wohnung des Arztes. Aber das ist alles, was wir bei de Lagarde und in der anderen Maschine gefunden haben.«
    »Und nun starten Sie die Zeitmaschine endlich!« rief Lewald. »Retten Sie meine Tochter!«
    Tobias nickte, und die beiden Erfinder traten zurück.
    »Warten Sie noch«, bat Heine und warf Tobias seine Schachtel mit den Phosphorhölzern zu. »Die werden Sie noch brauchen, um im Grabgewölbe überhaupt etwas sehen zu können.«
    Tobias steckte die Streichhölzer dankbar ein. Dann zog er an dem Hebel, und im Dachstuhl nebenan stoben elektrische Funken auf. Mit lautem Summen sprang der Parabolschirm in seinem Rücken an und begann auf irrwitzige Weise zu rotieren. Wind kam auf, und wieder war das Glucksen des Serums zu hören, das durch die mechanischen Eingeweide der Maschine lief. Die feinen Kanülen im Innern des Kristallstabs füllten sich mit der schwarzen Flüssigkeit, und wie schon beim ersten Mal tanzten Funken auf dem Gestänge der Apparatur.
    Tobias hatte es erwartet, und doch wurde er von dem Stich der Injektionsnadel im Oberschenkel überrascht. Wieder wurde ihm schwindlig, als das Teufelszeug im Blutkreislauf seine Wirkung entfaltete. Elektrische Flammen sprühten von den spitzen Kanten der Maschine, dann gab es einen lauten Knall – und die Welt um ihn herum versank in einem Sternenregen.

 

Entscheidungen
     
    Hamburg 1842, 5. Mai,
    7 Minuten nach 2 Uhr am frühen Nachmittag
     
    A ls Tobias wieder zu sich kam, hörte er lautes Prasseln und schmeckte Rauch. Hitze schlug ihm entgegen. Himmel, wo war er gelandet? Hustend schlug er die Augen auf und erkannte, dass die Zeitmaschine in einem brennenden Ladengeschäft materialisiert hatte. Eine Bäckerei! Hinter ihm leckten hohe Flammen an Regalen mit halb verkohlten Broten und Kuchenstücken empor, und an der Decke über ihm waberte ein blau knisterndes Flammenmeer. Die Fensterfront zur Straße war eingeworfen worden, und undeutlich sah er vor dem Gebäude schemenhafte Gestalten vorbeihasten. Erneut zwang ihn der Rauch zum Husten.
    Hastig warf er einen Blick auf die Zeitanzeige. Sie hatten sie vor der Abreise auf halb eins eingestellt. Gut eine Stunde, bevor er, Heine und Borchert den Michel verlassen hatten. Doch irgend etwas stimmte nicht. Die Zeiger der Apparaturen zitterten, und die Stunden-, Minuten-, und Sekundenangaben des Zählwerks rotierten noch immer, als könnten sie sich nicht entscheiden, auf welche Zeit sie sich einpendeln sollten.
    Ein lautes Bersten war zu hören, und hinter ihm brach das lichterloh brennende Brotregal zusammen. Funken stoben auf, die Hitze wurde unerträglich. In diesem Augenblick hörte er ganz in der Nähe einen Schrei, dem ein lautes Schluchzen folgte. Tobias fuhr herum und entdeckte neben dem Verkaufstresen das rußbedeckte Gesicht eines Jungen. Das war Friedrich! Der Anführer jener Kinder, die ihm soviel Ärger bereitet hatten.
    Offenbar hatte der Kleine versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen,

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