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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Fachwerkgebäudes zu sehen, vor dem sich schemenhaft zwei große Anker erahnen ließen. Tobias schüttelte den Kopf und folgte mit den Blicken dem Wasserlauf. In einiger Entfernung – das schienen die Umrisse einer Brücke zu sein, die sich über den Kanal spannte.
    War das immer noch Hamburg?
    Erst jetzt bemerkte er den erbärmlichen Gestank nach Schmutz und Fäkalien, der aus dem Fleet aufstieg. Angewidert rümpfte er die Nase. Für Dezember war es viel zu warm. Vorsichtig lehnte er sich zurück. Keinesfalls durfte die Maschine das Gleichgewicht verlieren. Also, wenn er tatsächlich durch die Zeit gereist war, wo war er dann gelandet? In der Dunkelheit konnte er die Armatur mit den Anzeigen nicht erkennen. Vorsichtig öffnete er die Lederjacke, um sich Kühlung zu verschaffen, und kramte nach dem Feuerzeug. Er fand es nicht. Das erste Mal seit langem verfluchte er, dass er mit dem Rauchen aufgehört hatte. Ihm fiel aber etwas anderes ein. Zunächst nahm er sich etwas Zeit, um sich an die Finsternis zu gewöhnen, und löste seine Armbanduhr. Dann drückte er auf den Beleuchtungsknopf und hielt den Chronometer vor das Zählwerk: 13-01-22-01-05-1842.
    Wenn das wirklich ein Zählwerk war, dann würde die Anzeige von links nach rechts Sekunde, Minute, Stunde, Tag, Monat und Jahr anzeigen. Ihm schwindelte. In diesem Fall hatte ihn die Zeitmaschine in das Jahr 1842 versetzt, genauer gesagt zum 1. Mai 1842 um kurz nach 22 Uhr. Er befand sich also weit über einhundertfünfzig Jahre in der Vergangenheit. Wahnsinn. Das war absoluter Wahnsinn! Das würde ihm niemand glauben.
    Wieder bekam er Angst. Einen: ersten Impuls folgend wollte er den Hebel nach vorn drücken, der Zukunft entgegen. Doch dann zögerte er. Wollte er das alles selbst glauben, musste er zumindest einen Beweis für diese Reise mitnehmen. Irgend etwas, das ihn daran erinnerte, dass er keinem Traum aufgesessen war.
    Tobias atmete tief ein. Zögernd griff er zum Kristallhebel, drehte ihn gegen den Uhrzeigersinn und zog ihn aus dem Gewinde. Das beständige Summen der Maschine verstummte und ging in das gurgelnde Geräusch abfließenden Kanalwassers über. Irgendwo in der Ferne erklang Katzengejammer, er meinte sogar das rauhe Lachen eines Betrunkenen zu hören.
    1842. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Wichtig war nur, dass ihn niemand bemerkte. Und eine so günstige Gelegenheit wie hier bekäme er vielleicht nie wieder.
    Tobias erhob sich, noch immer darauf bedacht, die Maschine nicht zum Kippen zu bringen, und stieg vom Sattel. Wie oft hatte er sich schon vorgestellt, wie es wäre, eine vergangene Epoche persönlich zu erleben. Er packte das Gestänge der Maschine und versuchte, die Apparatur vom Kanal wegzuziehen. Sie bewegte sich kaum. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie schwer das metallene Monstrum in Wirklichkeit war.
    Nicht weit entfernt hörte er das Schnauben eines Pferds. Alarmiert hielt er inne und versuchte, die Finsternis hinter sich mit seinen Blicken zu durchdringen. Ganz in der Nähe entdeckte er den Zugang zu einer Gasse. Im Zwielicht hatte er sie nicht gleich bemerkt. Hatte doch jemand seine Ankunft beobachtet? Unsinn, dann hätte er längst Besuch bekommen. Trotzdem durfte er auf keinen Fall riskieren, dass jemand die Zeitmaschine fand, bevor er wieder zurück war.
    Schweren Herzens ließ er von der Maschine ab und näherte sich vorsichtig der Gasse. Dann warf er einen verstohlenen Blick um die Ecke. Nichts als Finsternis. Nur schemenhaft war zwischen den gedrungenen Häuserzeilen ein Leiterwagen zu erkennen. Davor sah er ein Pferd angeschirrt. Doch außer dem Tier war in der Gasse keine Bewegung auszumachen. Tobias schürzte die Lippen. Er konnte sich schlecht mit einem einfachen Stein als Beweisstück für seine Zeitreise zufrieden geben. Vielleicht befand sich auf dem Wagen etwas Interessanteres? Das könnte er dann nach seiner Rückkehr Gerresheimer schenken. Der würde sich sicher darüber freuen. Trotz des Gestanks atmete er tief ein.
    Ja, das war eine gute Idee. Einstecken und abhauen. Ganz so, wie er und seine Freunde es früher in der Küche des Waisenhauses gemacht hatten.
    Mit einem leisen »Ksch« näherte er sich dem Pferd und tätschelte es am Hals. Der Kaltblüter reagierte mit einem leisen Schnauben. Tobias grinste. Das ging leichter, als er es sich gedacht hatte.
    Mutiger geworden tastete er sich zu dem Karren vor. Auf dem Leiterwagen lag ein klobiger Gegenstand, der im Mondlicht fahl schimmerte. Er war in eine helle

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