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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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eines eingestürzten Hauses. Nicht weit vom Fenster entfernt endete eine handspannenbreite Mauer, die parallel zu dem Quartier verlief, in dem er sich befand. Auf dieser Mauer balancierte der Fremde. Im Licht des Mondes war seine massige Gestalt gut zu erkennen. Ihre Blicke trafen sich. Kurzerhand zwängte sich Tobias ebenfalls durch die Öffnung und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass die vermeintliche Mauer vor ihm nicht aus Stein, sondern aus aufeinander gestapelten Holzbalken bestand. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass alle Häuser rund um ihn herum aus Holz gebaut waren. Mühsam ließ er sich auf dem schmalen Balken nieder und kroch, sich mit allen vieren festhaltend, hinter seinem Gegner her. Der gab einen unverständlichen Laut von sich und tänzelte weiter vorwärts. Tobias versuchte sich ebenfalls zu erheben – und rutschte ab. Nur mit Mühe konnte er sich an einem Querbalken festhalten. Unter ihm klapperte es. Verdammt, er hatte das Blitzlicht fallen lassen! Es lag schräg unter ihm auf einen Haufen Schutt, aus dem spitze Balken in die Höhe ragten.
    Einen Augenblick lang erwog er noch, dem kostbaren Gerät nachzuklettern, als ihm das Rattern einer Kutsche an die Ohren drang. Er schaute auf, doch sein Gegner war nicht mehr zu sehen. War er in die Tiefe gestürzt? Ein lautes Wiehern ertönte, dem der überraschte Aufschrei eines Mannes folgte. Tobias beschloss, das Blitzlicht zu einem späteren Zeitpunkt zu bergen, und rutschte Stück für Stück weiter nach vorn. Kampfgeräusche drangen ihm ans Ohr.
    Endlich erreichte er das Ende der Hauswand und blickte auf eine kopfsteingepflasterte Gasse hinunter, in der eine einspännige Kutsche stand. Eine Laterne am Kutschbock tauchte die Umgebung in ein trübes Licht. Zwei Männer wälzten sich im Rinnstein der Straße und droschen aufeinander ein. Sein Gegner und ein Fremder mit ausladendem Schnurrbart. Offenbar der Kutscher!
    Der Kahlköpfige musste sich von oben auf ihn gestürzt und ihn zu Boden gerissen haben. Plötzlich sprang der Angreifer auf, löste den Beutel an seiner Seite und zog ihn dem Kutscher mit ganzer Kraft durchs Gesicht. Der blieb benommen liegen. Dann taumelte er zum Kutschbock. Aus dem Innern des Gefährts gellte ein spitzer Frauenschrei. Der vierschrötige Kerl grunzte, riss den Verschlag auf und zerrte eine mollige junge Frau heraus, die kreischend auf dem schmalen Trottoir landete. Zu Tobias’ Überraschung hechtete plötzlich eine weitere junge Frau aus dem Innenraum. Mutig hob sie einen Schirm über den Kopf, den sie im nächsten Augenblick zwischen die Schulterblätter des Angreifers niedersausen ließ. Der Kahlköpfige stolperte nach vorn, drehte sich wütend zu der Frau um und schlug zu. Wimmernd stürzte die junge Frau zu Boden.
    Das war zuviel! Wütend richtete sich Tobias auf der schmalen Mauer auf und sprang schreiend in die Tiefe. Mit den Füßen voran riss er den Kahlköpfigen zu Boden, der hart auf einem Kantstein aufschlug. Das Splittern von Zähnen war zu hören – sein Gegner heulte vor Schmerz, gab aber immer noch nicht auf. Ungestüm griff er hinter sich und schleuderte Tobias so heftig gegen den offenen Verschlag der Kutsche, dass diesem die Luft pfeifend aus den Lungen wich.
    Himmel, wie viel konnte der Kerl denn noch wegstecken? Mit blutendem Mund starrte ihn der Kahlköpfige an, dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte die Straße entlang ins Dunkle.
    Tobias stöhnte. Er konnte nicht mehr. Sein Körper fühlte sich an, als hatte ihn eine Dampfwalze überrollt. In diesem Augenblick bemerkte er im Lichtschein der Laterne ein leises Funkeln auf den dunklen Kopfsteinen der Gasse. Der Kristallstab! Der Kerl hatte ihn verloren. Erleichtert nahm ihn Tobias wieder an sich und steckte ihn weg. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er nicht allein war. Nicht weit von ihm entfernt weinte die junge Frau, die der Kahlköpfige aus dem Wagen gezerrt hatte. Die andere hingegen, jene, die so tapfer mit dem Schirm auf den Angreifer eingedroschen hatte, kniete mit aufgelöstem Haar neben ihrer molligen Begleiterin und hielt sich ein Taschentuch vor den Mund. Es war blutgetränkt.
    Erschöpft stolperte Tobias zu den beiden hinüber.
    »Alles in Ordnung?«
    Das Mädchen mit dem Taschentuch sah auf und starrte ihn furchterfüllt an. Verblüfft riss er die Augen auf. War das möglich? Vor ihm hockte das hübsche Mädchen von dem Foto.
    »Nicht, Krischaan!« rief sie.
    Im nächsten Augenblick traf Tobias ein Schlag auf den

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