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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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hielt. Nur am Rande nahm Tobias wahr, dass ein ausgebeulter großer Lederbeutel am Gürtel seiner Hose hing. Doch sein entsetztes Augenmerk galt dem weit aufgerissenen Mund des Fremden. Konnte das sein? Der Kerl hatte keine Zunge.
    Tobias konzentrierte sich wieder auf den Kampf und schlug mit dem Knüppel nach der Messerhand. Mit einem leisen Klirren prallte die Klinge gegen die Hauswand. Er wusste, dass er den Hünen niederschlagen musste, wollte er den Kristallhebel zurückgewinnen. Scheiterte er, wäre er in dieser Zeit gefangen. Vielleicht für immer.
    Er nutzte seinen Vorteil weiter aus und schlug zu. Links, rechts. Links, rechts. Einem Hagelschlag gleich ließ Tobias den Knüppel auf Kopf und Körper seines Gegners niederprasseln. Wimmernd wich der Kahlköpfige vor ihm zurück. Plötzlich aber drehte er sich um, taumelte auf den Kanal zu und war kurz darauf verschwunden.
    Fluchend setzte ihm Tobias nach, da dröhnte ein lautes Scheppern durch die Nacht. Der massige Kerl war bei seiner überstürzten Flucht gegen die Zeitmaschine geprallt. Stöhnend und mit der Hand am Schädel wankte er einige Schritte zurück und setzte dann, unverständliche Worte lallend, die Flucht fort.
    Ein leises Quietschen ertönte. Nein, nur das nicht! Wie versteinert beobachtete Tobias, wie die große Apparatur schwankte, sich langsam in Richtung des Fleets neigte, um dann mit einem lauten Platschen ins Wasser zu rutschen. Kurz darauf ragten nur noch die Kufen und ein Teil des Parabolschirms aus den dunklen Fluten. Fassungslos hetzte Tobias zum Rand des Kanals. Wie sollte er die Zeitmaschine da je wieder herausbekommen?
    Der Kristallhebel! Um all das konnte er sich Gedanken machen, wenn er den Kristallhebel wieder in Händen hielt. Mit einem Schrei auf den Lippen stürzte er hinter dem Flüchtenden her. Der Kahlköpfige humpelte und konnte seinen Vorsprung nur mit Mühe halten. Keuchend schaute er sich zu Tobias um und verschwand von einem Augenblick zum anderen zwischen zwei schiefen Häusern. Wenig später hatte auch Tobias die Gasse erreicht. Sie war so schmal, dass ein Karren nur mit Mühe hindurchgepaßt hätte. Die Umrisse des Flüchtenden waren nur unklar zu erkennen. Wütend riss der Kerl eine Regentonne um und rannte weiter. Tobias hetzte ihm hinterher. Wann immer er es schaffte, ließ er sein Blitzlicht aufflammen. Hin und wieder sah er seinen Gegner, die meiste Zeit über aber waren es dessen Schritte, die ihm den Weg wiesen.
    Das enge Gassengewirr, in das Tobias hineingeraten war, war an vielen Stellen überbaut; mancherorts zweigten verschmutzte Höfe ab, in denen Müll lag und Katzen sich balgten. Einstöckige Buden wechselten sich mit schmalen, nur drei- oder vierfenstrigen Häusern ab, deren hohe Giebel gegeneinander drängten. Dazwischen stank es nach Moder und Exkrementen. Überhaupt machte die ganze Gegend einen überaus trostlosen Eindruck.
    Tobias stürmte an einer Spelunke vorbei, aus der rauhe Seemannslieder und das Spiel eines schauerlich verstimmten Klaviers drangen. Ein Stück weiter musste er einem besoffenen Kerl in Lumpen ausweichen. Er lag zusammengerollt auf einer der Treppen, die steil hinauf zu einer der armseligen Wohnungen führten. Immer wieder galt es, Dreck und Unrat aus dem Weg zu gehen, und einmal stürzte er sogar in eine schmierige Lache, die nach Urin und billigem Fusel stank. Tobias versuchte, nicht auf den Geruch zu achten. Sein einziger Gedanke galt dem Kristallhebel.
    Da verschwand sein Gegner in einem Hauseingang. Nein, kein Hauseingang, nur eine weitere jener steilen Treppen, die hoch zu den windschiefen Häusern ringsum führten. Er wog den Knüppel in der Hand und stolperte keuchend hinterher. Schräg über ihm war das Krachen einer eingetretenen Tür zu hören. Er gelangte in einen engen, stickigen Hausflur, von dem drei schiefe Türen abzweigten. Eine hing nur noch in den Angeln. Ohne zu überlegen, stürmte er hindurch, hinein in eine düstere Kammer, deren wichtigster Einrichtungsgegenstand ein rostiger Holzofen war. Im Raum roch es nach Ruß, Fisch und Schweiß. Im fahlen Mondlicht, das durch zwei kleine Fenster ins Rauminnere sickerte, sah er eine Frau, die ihn furchtsam anstarrte. Sie kniete auf einer Schlafmatte neben einem wurmstichigen Tisch und hielt zwei Kinder an sich gedrückt, die leise wimmerten.
    »Wo ist der Kerl?« fragte Tobias außer Atem. Die Frau deutete stumm auf ein offen stehendes Fensterchen. Er eilte an ihr vorbei und blickte auf die mondbeschienene Ruine

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