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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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davon erfahrt. Sie würde sich nur unnötig Sorgen machen.«
    Tobias versprach es. Nun begaben sie sich wieder zurück zum Ausgang und kamen an einer großen Regalwand mit dicken Folianten und Stapeln von Zeitschriften vorbei. Eher zufällig streifte Tobias’ Blick die Einträge auf einigen der Einbände: Traité de Diagnostic chirurgical, Infectio, Jahresbericht über die chirurgische Abteilung des Spitals zu Basel …
    Überrascht blieb er stehen. Das war medizinische Fachliteratur. In einem Raum wie diesem wirkte sie irgendwie fehl am Platze.
    Lewald, der Tobias’ Verwirrung bemerkte, trat stumm neben ihn und schlug eine der Zeitschriften auf. Er deutete auf die Federzeichnung eines abgemagerten Mannes mit eingefallenem Brustkorb und tiefliegenden Augen. Der Kranke dämmerte ergeben vor sich hin.
    Natürlich erkannte der Medizinstudent sofort, wen die Abbildung darstellte: einen Tuberkulosepatienten im Endstadium.
    »Sie sehen, ich bin nicht so weltfremd, wie es vielleicht den Anschein hat«, murmelte Lewald finster. »Ich lasse nicht zu, dass mir auch meine Tochter genommen wird. Ganz im Gegenteil, ich habe dieser verfluchten Krankheit gewissermaßen den Krieg erklärt.«

 

Schatten in der Nacht
     
    Elbchaussee 1842, 2. Mai,
    27 Minuten vor Mitternacht
     
    T obias fuhr aus dem Schlaf hoch und wusste nicht, was ihn geweckt hatte. Mit klopfendem Herzen saß er aufrecht im Bett und blinzelte einige Male, um seine Benommenheit abzuschütteln. Er befand sich in einem Gästezimmer im Obergeschoß der Lewaldschen Villa. Michael Groth, der blasierte Hausverwalter, hatte es ihm eine gute Stunde, nachdem der letzte Gast gegangen war, persönlich zugeteilt.
    Fahler Mondschein sickerte durch den Vorhang des einzigen Fensters und kleidete die vornehmen Möbel im Raum in ein Gewand aus Silber.
    Er hörte nichts als das leise Ticken einer kleinen Pendeluhr an der Wand neben dem Bett. Gern hätte er gewusst, wie spät es war. Doch seine Blicke durchdrangen die schummrigen Lichtverhältnisse ringsum nur mühsam.
    Alles in allem war die Festivität sehr angenehm ausgeklungen. Tobias hatte es sogar vermeiden können, Polizeiaktuar Kettenburg und diesem misstrauischen französischen Arzt ein weiteres Mal über den Weg zu laufen. Warum dann seine Unruhe?
    War es dieser seltsame Alptraum, der ihn aus dem Schlaf gerissen hatte? Undeutlich erinnerte er sich daran, von einem brennenden Gebäude mit hohen Räumen geträumt zu haben, an dessen Decke ein Meer von Feuer waberte. Er schüttelte beunruhigt den Kopf und wollte schon nach dem Schalter der Nachttischlampe greifen, als ihm wieder bewusst wurde, dass es zu dieser Zeit noch kein elektrisches Licht gab. Wollte er Licht machen, musste er sich umständlich mit einer Öllampe behelfen, die auf der Ankleidekommode neben dem Fenster stand.
    Seufzend legte er sich zurück und schloss die Augen. Er brauchte Ruhe. Hoffentlich schaffte er es, die Nacht über durchzuschlafen, ohne von dem Nachttopf unter seinem Bett Gebrauch machen zu müssen. Die Aussicht, morgen einem der Dienstmädchen in die Augen schauen zu müssen, die zuvor seine Ausscheidungen quer durch die Villa getragen hatte, war wenig verlockend. Elektrisches Licht und eine vernünftige Toilette. Das waren Errungenschaften, auf die die Menschen seiner Zeit viel stolzer sein sollten. Statt dessen …
    Aus dem Untergeschoß ertönte das leise Splittern von Glas. Tobias schreckte erneut hoch. Also war er doch nicht ohne Grund erwacht.
    Er zögerte. Vielleicht stolperte dort unten im Dunkeln einer der Hausbewohner herum? Andererseits … andererseits rechnete er seit den Geschehnissen in dem verdammten Uhrladen mit allem.
    Zögernd schwang er sich aus dem Federbett und tastete sich zu dem Stuhl vor, über dem seine neue Kleidung hing. Das Möbelstück stand im Schatten eines der Fenstervorhänge, und so dauerte es eine Weile, bis er aus seinem unpraktischen Nachthemd geschlüpft war und sich Hose und Hemd übergestreift hatte. Misstrauisch spähte er zum Fenster des Zimmers hinaus. Zu dieser späten Stunde waren draußen die hohen Bäume des Anwesens nur schemenhaft zu erkennen. Gespenstisch hoben sich die Zweige und Blätter vor dem Elbstrom ab, der im Sternenlicht glitzerte. War da nicht eine Bewegung? Gleich neben dem Teich?
    Tobias schüttelte unwillig den Kopf. Sicher machte er aus einer Mücke einen Elefanten. Dennoch, zumindest nachschauen wollte er.
    Er griff nach Laterne und Streichhölzern, verzichtete aber zunächst

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