Der Funke des Chronos
fragen, wer Sie eigentlich sind?«
Der Mann blickte ihn mit undurchdringlichem Blick an. »Pardon. Aber ich kann Ihnen meinen Namen leider nicht nennen. Ich bin wegen einer Familienangelegenheit hier, die eine gewisse Diskretion erfordert. Mit dieser Sürprise habe ich allerdings nicht gerechnet.«
»Na, da sind wir schon zwei«, antwortete Tobias lakonisch.
»Und was tun Sie hier?« wollte der Bärtige nun seinerseits wissen und hängte die Tasche über den Stuhl.
»Das ist eine lange Geschichte. Sicher ebenso verrückt wie die Ihre«, antwortete Tobias. »Aber solange Sie mir nicht sagen, wer Sie sind und was Sie hergeführt hat, werde ich mein Geheimnis ebenfalls für mich behalten.«
Ein Lächeln umspielte die Lippen des Fremden. Er steckte seine Pistole in den Gürtel der Hose. »Das ist so schön an uns Deutschen. Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren finde, der ihn versteht. Belassen wir es also dabei. Verraten Sie mir wenigstens, ob die junge Mademoiselle zu Ihnen gehört.«
Tobias nickte und warf den Stofflappen auf den Labortisch. Doch mit dieser Antwort allein gab sich sein Gegenüber nicht zufrieden. »Aufrichtig gesprochen, ich hatte Sie einen Augenblick lang in dem Verdacht, selbst etwas mit diesem Schreckenskabinett zu schaffen zu haben.«
Tobias sah ihn irritiert an. »Ich?«
»Sie sind nach eigener Bekundung Arzt«, erwiderte der Fremde. »Und das hier ist eine Art Labor.«
»Nein.« Tobias schüttelte den Kopf. »Dieses ›Schreckenskabinett‹, wie Sie es bezeichnen, haben meine Begleiterin und ich selbst erst vor einer halben Stunde entdeckt. Wissen Sie, wozu alle diese Geräte dienen?«
Der Fremde sah sich um und nickte bedeutungsvoll. Mit dem Fuß tippte er an die Wanne vor dem Stuhl. »Dies erinnert an ein Baquet.«
»Ein was?«
»Sagt Ihnen der Name Mesmer etwas?«
»Sie meinen den Arzt Franz Anton Mesmer?« wollte Tobias verblüfft wissen. »Den Begründer des Mesmerisnius? Ja und nein. Wenn ich mich nicht irre, hat er versucht, seine Patienten damit zu therapieren, dass er sie in hypnotische Trance versetzte. Er arbeitet in Wien, richtig?«
»Er ist schon seit über fünfundzwanzig Jahren tot«, antwortete der Mann. »Und so simpel, wie Sie es beschreiben, war seine Methode nicht. Er ist der Begründer des Heilmagnetismus. Mesmer postulierte, dass ein universelles organisches Fluidum existiert, das unsere Physis, den ganzen Körper, durchströmt. Eine magnetische Kraft, die alle Lebewesen durchdringt. Sei es Mensch, Tier oder Pflanze.«
»Ja und?«
»Mesmer war davon überzeugt«, fuhr der Fremde fort, »dass Krankheiten durch einen Mangel an diesem Fluidum entstehen. Daher hat er ein Gerät entwickelt, das er Baquet nannte. Ein Becken mit Wasser und Eisenspänen, dem über metallene Stäbe das magnetische Fluidum entströmt. So etwas wie das hier.« Er deutete auf die Wanne. »Später hat er es mit Elektrisiermaschinen aufgeladen, um die therapeutische Wirkung zu verstärken.«
»Mit anderen Worten: Dieses Baquet speichert Elektrizität«, folgerte Tobias.
»Mesmer hat das Fluidum stets als Animalischen Magnetismus bezeichnet«, berichtigte der Fremde. »Seiner Theorie lag ein interessantes Äthermodell zugrunde, demzufolge …«
»Hören Sie«, unterbrach Tobias den Fremden, »unabhängig davon, dass ich mir die Frage stelle, warum Sie über das alles so gut Bescheid wissen …«
»Mein Bruder ist Arzt in St. Petersburg.«
»Wie dem auch sei. Hier wurde ganz bestimmt niemand therapiert. In diesem Raum wurden Menschen auf bestialische Weise gequält.« Tobias griff zu Skalpell und Schaber. »Und ich werde herausfinden, aus welchem Grund.«
Brüsk wandte er sich dem Nachbarraum zu. »Ach so. Falls Sie einen empfindlichen Magen haben, sollten Sie mir besser nicht folgen. Dort drüben liegt ein Toter.«
Der Fremde starrte ihn entgeistert an. Mit einem besorgten Blick zu Caroline hinüber ergriff Tobias die brennende Kerze und betrat den Raum mit dem Seziertisch. Natürlich war der Fremde durch seine Warnung erst recht in bange Erwartung versetzt worden. Als er die Käfige und den Toten entdeckte, ächzte er. »Mein Gott!«
Tobias achtete nicht weiter auf ihn, sondern begab sich zum Kopfende des Tischs. Erst jetzt gewahrte er, dass die Wand neben ihm mit anatomischen Studien behängt war. Die Zeichnungen zeigten Teile des menschlichen Gehirns. Allesamt waren sie mit rätselhaften alchimistischen und astrologischen Symbolen beschriftet.
»Der
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