Der Funke des Chronos
Dann ergriff er die Kerze und eilte ebenfalls in den Nachbarraum. Caroline und der Kahlköpfige lagen noch immer regungslos auf dem Kellerboden. Sein namenloser Bekannter hingegen stand am Labortisch und untersuchte aufgeregt die kleine Kiste, die Tobias schon eine halbe Stunde zuvor entdeckt hatte. Der Fremde wirkte außerordentlich verärgert. »Umsonst!«
Tobias tastete nach dem Notizbuch und den beiden Zetteln in seinem Hosenbund und versuchte möglichst arglos zu wirken. »Was suchen Sie denn?«
»Ich sagte es bereits. Ich bin in einer Angelegenheit hier, die äußerste Diskretion erfordert. Meiner Familie wurde etwas gestohlen. Offenbar von diesem Halunken dort.« Er deutete auf den Kahlköpfigen. »Es handelt sich um den Kasten. Leider ist sein Inhalt verschwunden.«
»Nun, wenn Sie mir sagen, was Sie genau …?« In diesem Augenblick entdeckte er zwei Schatten im Gang zum Gewölbe. »Passen Sie auf!«
Tobias drehte sich um und versuchte zu seinem Florett zu gelangen, das noch immer auf dem Boden lag. Zu spät.
»Hände hoch!« Zwei hagere Bewaffnete mit Tschako und dunkelblauem Uniformrock, über denen ein Kreuzbandelier samt Pulvertasche und Säbelkoppel hing, stürmten den Kellerraum und sahen sich entschlossen um. Beide hatten sie Vorderladergewehre im Anschlag. Polizisten?
»O nein, nicht das auch noch!« seufzte der Fremde. »Ich bin erledigt.«
»Legen Sie die Pistole auf den Boden. Los, machen Sie! Weg damit!«
Energisch richteten die beiden Männer die Gewehre auf Tobias’ Retter. Der schloss ergeben die Augen, zog die Waffe mit spitzen Fingern aus dem Hosenbund und legte sie auf den Boden. Anschließend stieß er sie mit der Fußspitze von sich.
»Und Sie da hinten. Umdrehen und an die Wand! Los!«
Tobias fügte sich seinem Schicksal und merkte zugleich, wie die beiden Uniformierten näher kamen. Einer der beiden beugte sich zu Caroline hinüber und rüttelte sie. »Mamsell? Mamsell? Peter, hol die anderen und gib dem Herrn Polizeiaktuar Bescheid. Ich …«
In diesem Augenblick erscholl lautes Gebrüll. Tobias sah aus den Augenwinkeln den Kahlköpfigen, der sich plötzlich aufrichtete und den Bewaffneten neben Caroline zu Boden riss. Der Kerl hatte nur so getan, als sei er noch bewusstlos. In Wahrheit hatte er seine Fesseln gelöst und nur darauf gewartet, wieder zuschlagen zu können.
Der andere Uniformierte warf sich überrascht herum, brachte seine Waffe in Anschlag und feuerte. Doch statt den Hünen traf der Mann seinen Kameraden. Ungläubig starrte der Getroffene auf den immer größer werdenden Blutfleck an seiner Schulter, dann brach er zusammen. Der Kahlköpfige wuchtete den Bewusstlosen kurzerhand in die Höhe und warf ihn dem Schützen entgegen. Mit einem Schrei ging dieser zu Boden. Bevor Tobias oder der Fremde handeln konnten, hatte sich der Hüne die Flinte seines Opfers geschnappt und legte auf Tobias an. In seinem Blick loderte blanker Hass.
»Alarm! Unten im Keller wurde geschossen!« Das Gebrüll war nur gedämpft zu vernehmen. Offenbar fand oben in der Abdeckerei so etwas wie eine Razzia statt. Der Kahlköpfige lallte einen Fluch und spuckte wütend auf den Boden. Ohne seine Gegner aus den Augen zu lassen, griff er nach der Pistole und stürmte mit den erbeuteten Waffen hinaus in den Kellergang.
Tobias eilte zu dem Verletzten. Sein Kamerad starrte ihn entsetzt an und versuchte seinen Säbel zu ziehen, doch der Fremde bückte sich rasch und kam ihm zuvor. »Halt!«
Entschlossen hielt er den Uniformierten mit der Klinge in Schach. Tobias kümmerte sich nicht weiter um die beiden, sondern knöpfte die Uniformjacke des Angeschossenen auf. Die Kugel steckte unterhalb des Schlüsselbeins und hatte glücklicherweise keine lebensbedrohliche Stelle getroffen.
»Geben Sie auf«, stammelte sein verwirrter Kamerad. »Sie kommen hier nicht lebend heraus.«
Im Kellergang erklangen Schüsse. Offenbar sah der Kahlköpfige dies etwas anders.
»Pressen Sie die Jacke auf die Wunde«, erklärte Tobias, ohne auf die Warnung einzugehen. »Und versuchen Sie die Blutung aufzuhalten. Dann kommt Ihr Kollege durch.«
Verwirrt tat der Mann wie ihm geheißen.
»Kommen Sie! Wir müssen weg von hier!« schrie ihm der Fremde zu. Er riss die Ledertasche an sich, die über dem Stuhl hing und schob die leere Schatulle hinein.
»Und wie?« schrie Tobias zurück. »Da oben wimmelt es bestimmt von Bewaffneten.«
»Wir verschwinden so, wie ich hergekommen bin. In diesem Viertel lebten in der
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