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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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denken. Hoffentlich ging es ihr gut. Sie hatte sich auf ihn verlassen. Ganz sicher stand ihr gerade jetzt großer Ärger ins Haus. Und ebenso sicher hielt sie ihn für einen elenden Feigling.
    Plötzlich fiel ihm auf, dass er schon lange nicht mehr an Katja gedacht hatte. Statt dessen spukte ihm immer nur Caroline im Kopf herum. Er musste verrückt sein. Er gehörte doch nicht in diese Zeit.
    Tobias seufzte.
    Sein altes Leben schien ihm inzwischen unwirklich und seltsam bedeutungslos. Erstmals wurde ihm bewusst, dass ihn in der Zukunft – vielleicht abgesehen von Gerresheimer, seiner Nachbarin und ein oder zwei Kommilitonen – niemand besonders vermissen würde. Er lächelte bitter. Eigentlich konnte er sich selbst auf die Schultern klopfen. Eine tolle Lebensleistung.
    Besser, er konzentrierte sich wieder auf diese verflixte Zeitmaschine. Er gestand es sich nur ungern ein, doch mit dem Kahlköpfigen war im wahrsten Sinn des Wortes seine letzte Hoffnung gestorben, sie irgendwann wieder aufzuspüren. Es sei denn, er würde diesen gewissenlosen Kapuzenträger finden, für den der Zungenlose gearbeitet hatte. Ganz sicher war dieser Mann für die Folterkammer unter der Abdeckerei verantwortlich. Ob er auch die Zeitmaschine besaß?
    Tobias wandte sich vom Fenster ab und massierte sich die Schläfen. Die Hinweise, die er bekommen hatte, erschienen ihm wie die Steine eines zerbrochenen Mosaiks. Es gelang ihm einfach nicht, sie zu einem Bild zusammenzufügen. Von dem Kapuzenträger abgesehen war da zum Beispiel diese eigentümlich ausstaffierte Gasmaske. Was sollte das? Und was hatte es mit dem rätselhaften Einbruch in die Villa von Justus Lewald auf sich? Apropos, hatte sein namenloser Bekannter nicht ebenfalls behauptet, dass seine Familie von dem Kahlköpfigen bestohlen worden war? Also handelte es sich jetzt bereits um zwei Einbrüche. Tobias tastete nach dem Notizbuch und den beiden Zetteln. Bislang hatte er sie seinem Retter nicht gezeigt. Was war der Grund dafür, dass ein so vornehmer Mann wie dieser Fremde wegen solch wertlosen Zeugs ein derartiges Wagnis einging?
    Erst jetzt bemerkte er den sauberen Anzug, den ihm der Fremde über den Stuhl gehängt hatte. Auf der Sitzfläche stand eine Keramikschüssel mit Wasser, daneben lagen ein Stück Seife und ein Handtuch. In der Kammer gegenüber befand sich ein weiteres Kastenbett, dazwischen stand ein Tisch, auf dem ein Koffer lag.
    Tobias zog das schmutzige Hemd aus, wusch sich und schlüpfte dankbar in die frische Kleidung.
    Grübelnd steckte er seine wenigen Besitztümer in die Innentasche der Jacke: die Geldbörse, das Notizbuch, die beiden Zettel, richtig, und diese leidige Visitenkarte des Franzosen de Lagarde. Der konnte lange auf seinen Besuch warten. Leider besaß er das Foto von Caroline nicht mehr. Dieser Verlust schmerzte mehr, als er gedacht hatte.
    Wo sein Gönner nur sein mochte? Tobias starrte auf die niedrige Tür der Dachkammer. Nun, dieser Umstand ließ sich immerhin dazu nutzen, mehr über den Mann herauszufinden. Was hatte er damit gemeint, dass ein Skandal losbrechen werde, wenn sein Name bekannt würde? Tobias war auch aufgefallen, dass die Köchin, die ihnen des Nachts die Hintertür zum Baumhaus geöffnet hatte, den Fremden mit großer Ehrfurcht behandelt hatte.
    Kurzerhand öffnete Tobias den Koffer. Er machte einen ebenso vornehmen Eindruck wie die Kleidung in seinem Innern. Dazwischen befanden sich Bücher, eine französische Zeitung, ein Block mit Papier sowie Schreibmaterial und ein unbeschriftetes Fläschchen mit Tabletten. Eines der Bücher trug den Titel Scèncs de la vie privéc et publique des animaux und war zwischen den Seiten mit einem Streifen Papier markiert. Sein Französisch war leider nicht allzu gut, doch in dem Band befanden sich illustrierte Kurzgeschichten. Der Zettel markierte eine Farbtafel, auf der im Moritatenstil ein aufgerichteter Bär zu sehen war. Er legte das Buch kopfschüttelnd beiseite und griff nach dem Schreibblock. Seitenlang befanden sich dort zum Teil verworfene Reime und Verse. Der Fremde war offenbar ein Poet. Gleich die erste Seite war mit ›Atta Troll. Ein Sommernachtstraum‹ übertitelt. Tobias runzelte die Stirn. Das kam ihm aus seiner Schulzeit irgendwie bekannt vor. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, damals etwas besser zugehört zu haben. Er überflog einige der Verse.
     
    Atta Troll, Tendenzbär; sittlich
    Religiös, als Gatte brünstig;
    Durch Verführtsein von dem

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