Der Gärtner von Otschakow
einziger Wagen durch die Straße. Die Stadt schlief früh ein.
Gekonnt riss Stepan mit dem Brecheisen das Vorhängeschloss herunter, hob mit demselben Brecheisen die Tür unten so an, dass die Schlossfalle innen heraussprang und die Tür aufging.
Schnell trat Stepan ein, Igor ihm nach. Sie schlossen die Tür hinter sich und standen in undurchdringlicher Finsternis.
Stepan knipste seine Taschenlampe an, Igor die seine.
»Die Miliz ist nicht blöd«, flüsterte Stepan. »Wenn sie hier Durchsuchungen gemacht haben, dann haben sie auch unter den Dielen und auf dem Dachboden gesucht. In den Öfen haben sie sicher auch gewühlt… Nur gibt es hier anscheinend keine Öfen mehr…«
Stepan fuhr mit dem Strahl seiner Lampe über die Wände, über die gusseisernen, weißgestrichenen Heizkörper. Er trat zur Tür mit dem »Sprechstunden«-Schild und stand im nächsten Moment schon drinnen und leuchtete an Wänden und Boden entlang.
»So«, sagte er. »Wir müssen das systematisch angehen, sonst werden wir bis zum Morgen nicht fertig! Bleib du hier stehen, ich öffne alle Türen, und dann beginnen wir im Uhrzeigersinn…«
[45] Igor knipste seine Lampe aus und erstarrte im Dunkel, während er zuhörte, wie die vom Brecheisen angehobenen Türen beim Aufgehen knackten.
Bald war Stepan wieder da, tippte Igor an die Schulter und bedeutete mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Sie wanderten durch alle Zimmer, beleuchteten mit ihren Lampen Böden, Wände, hässliches Büromobiliar vom sowjetischen Typ. Und kehrten wieder ins Sprechzimmer des Abgeordneten Wolotschkow zurück.
»Also«, überlegte Stepan laut. »Dachböden und Dielen lassen wir aus. Öfen gibt es keine. Weißt du, wie man abklopft?«
»Nein, wie?«, fragte Igor.
»Wie ein Arzt! Du klopfst mit den Fingerknöcheln, und wenn es dumpf tönt, gehst du weiter, wenn es plötzlich lauter klingt, nach Hohlraum, dann machst du halt und rufst mich! Wir klopfen beide. Ich von der Tür nach rechts, du nach links!«
In der dunklen Stille gingen sie daran, die Wände abzuklopfen: aufwärts bis zur niedrigen Decke, abwärts bis zu den Holzdielen. Schon im dritten Zimmer, rechts von einem massiven, mächtigen Safe, kam es Igor vor, als klänge die Wand anders unter seinen Schlägen.
»Stepan!«, flüsterte er. »Ich glaube, hier ist was.«
Stepan kam her und prüfte nach. »Hier scheint ja alles hohl«, sagte er zweifelnd. »Ich gehe und klopfe von der anderen Seite!«
Aus dem Nebenzimmer kehrte er erfreut und verblüfft wieder.
»Das wäre ja ein sehr dickes Stück Wand!« Er packte mit der Rechten sein Brecheisen fester. »Na dann, mit Gott!«
[46] Heftig schlug er das Brecheisen in die Wand, das Eisen stieß erst auf etwas und drang dann tief ein, als fiele es ins Leere.
»Interessant«, flüsterte Stepan, während er sich mit der Lampe leuchtete.
Er verbreiterte das Loch. Unter dem Verputz ragten Stücke von altem, dunkel gewordenem Sperrholz heraus.
Zehn Minuten später hatten sie das Wandstück zerlegt und leuchteten hinein.
»Sieh mal einer an!«, entfuhr es Stepan, als die Strahlen der beiden Taschenlampen auf drei altmodische, von Staub und feinem Bauschutt bedeckte Lederkoffer fielen. »Hier hast du die Gepäckaufbewahrung, die vor uns keiner finden konnte!«
Stepan hob die Koffer einen nach dem anderen heraus, pustete Staub und Schutt von ihnen, dann klopfte er seine Kleider ab und knipste die Taschenlampe aus.
So leise sie konnten, schlichen sie hinaus, geräuschlos schloss Stepan die Eingangstür wieder hinter sich.
Zu ihrem Erstaunen begegnete ihnen auch auf dem Rückweg zu Anastassija Iwanownas Haus kein Mensch. ›Ist doch ein feines Städtchen‹, dachte Igor beim Gehen.
Im Zimmer stellten sie die Koffer auf den Boden. Stepan rieb sie mit dem Lappen ab, der für die Füße an der Tür gelegen hatte.
»So, und jetzt müssen wir früh abfahren, bevor der Markt öffnet!«, sagte Stepan entschieden.
»Wollen wir nachsehen, was drin ist?«, schlug Igor vor.
»Wir schauen bei dir zu Hause, in Ruhe. Erst müssen wir sie heimbringen!«
[47] Igor widersprach nicht mehr. Bis zum Tagesanbruch blieben an die zwei Stunden. Stepan packte schon seinen Rucksack. Für einen Augenblick unterbrach er sich und sah seinen jungen Partner an. »Lass der Frau noch zwanzig Griwni auf dem Tisch! Soll sie sich gern an uns erinnern!«, sagte er.
6
Kiew empfing die Reisenden mit einem Platzregen. Der Himmel hing tief und düster über dem Bahnhof. Stepan, den
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