Der Gärtner von Otschakow
zusammen und schob sie in den Mund.
›Wirklich‹, dachte er. ›Lecker! Aber doch nicht so, dass man vom Tisch aufspringen und rauslaufen muss!‹
Kurz darauf kehrte die Mutter mit Nachbarin Olga zurück, lief geschäftig umher, stellte noch einen Teller mit Gabel auf den Tisch, tat dem Gast Buchweizen auf und legte eine gebratene Flunder daneben.
Als Erstes kostete Olga den Fisch, und ihr Gesicht erstarrte nachdenklich. Das heißt, das ganze Gesicht, außer dem Mund. Die Lippen bewegten sich langsam und bewiesen, dass sie nicht untätig dasaß. Nachdem sie ein Weilchen gekaut hatte, nickte Olga.
[110] »Wo habt ihr denn den gekauft? Auf dem Markt?«, fragte sie. »Der war wohl noch lebendig?«
»Nicht lebendig, aber frisch gefangen«, erklärte Igor.
»Wie denn das: frisch gefangen? Der kommt doch aus dem Meer, und bis man den hierhergebracht hat…« Olga lächelte. »Da hat dich die Verkäuferin wohl angeführt! Der war eingefroren, ganz sicher!«
»Und der Geschmack?«, fragte Elena Andrejewna ein ganz klein wenig verstimmt. »Aber wie ist denn der Geschmack?«
Die Nachbarin zuckte die Achseln. »Vielleicht haben sie Konservierungsstoffe drangetan. Jetzt gibt es doch überall Chemie! Chemie und diese künstliche Gentechnik. Ob du diesen Geschmack willst oder jenen – alles machen sie dir!«
Elena Andrejewna seufzte schwer und legte ihre Gabel auf den Tisch. Igor merkte, dass seiner Mutter die Stimmung verdorben war, und sah die Nachbarin finster an.
»Entschuldigen Sie, Olga, dass meine Mutter Sie gestört hat! Sie hatten doch sicher was zu tun… Und da haben wir Sie wegen solchem Kleinkram aus dem Haus geholt… Gehen Sie lieber zurück!«
»Schon gut, jetzt bin ich ja hier.« Olga winkte ab, als hätte sie überhaupt keine Schärfe in seinen Worten bemerkt. Sie aß weiter froh ihren Fisch mit der Buchweizengrütze, und das noch ziemlich energisch.
Igor aß seine Flunder auf und holte sich aus der Pfanne, die in der Mitte des Küchentischs stand, eine zweite auf seinen Teller herüber.
Auch seine Mutter widmete sich wieder der Mahlzeit, nur aß sie jetzt müde, ohne Appetit.
[111] Igor sah, dass die Nachbarin ihren Fisch schon fast aufgegessen hatte und auf die letzte Flunder in der Pfanne schielte. Er stand auf, nahm die Pfanne vom Tisch fort, legte den Deckel darüber und stellte sie zurück auf den Herd.
Als er sich wieder auf seinen Platz setzte, begegnete er Olgas Blick.
»Entschuldigen Sie!«, platzte er heraus. »Meine Mutter dachte, Sie würden es mögen!«
»Ja, wie denn?« Die Nachbarin blies die Lippen auf. »Ich mag es ja! Ich liebe Scholle!«
»Das ist keine Scholle, das ist Flunder«, berichtigte Igor sie gereizt.
Und sie verstummte, blickte auf ihre nicht aufgegessene Grütze im Teller.
»Was macht der Gärtner?«, wandte sie sich plötzlich an Elena Andrejewna, wohl um das Gespräch auf ihre Nützlichkeit zu lenken.
»Tja, er ist vor ein paar Tagen weggegangen und bis jetzt nicht zurückgekommen«, antwortete der Sohn anstelle der Mutter. »Vielleicht hat er irgendwo einen Saufkumpan gefunden?«
»Aber er trinkt doch nicht!«, rief Olga aufgeregt.
»Er hat viel geschafft«, ließ die Mutter sich jetzt vernehmen, zur Nachbarin gewandt. »Danke, dass du ihn hergebracht hast!«
Die Nachbarin beruhigte sich und lächelte. Und erkannte wahrscheinlich, dass es, auf dieser schönen Note, Zeit war, sich zu verabschieden.
Den Tee tranken sie schon zu zweit.
[112] »Schade, du hast wenig von dem Fisch gekauft«, bemerkte die Mutter plötzlich.
Igor stand auf, legte die letzte Flunder aus der Pfanne auf dem Herd in einen sauberen Teller und stellte ihn vor seine Mutter hin.
Sie lächelte, schob die Tasse mit dem Tee beiseite und machte sich noch einmal über den Fisch her.
»War der nicht teuer?«, fragte sie, als sie aufgegessen hatte.
Igor schüttelte den Kopf. »Nächstes Mal nehme ich mehr«, versprach er.
Abends ging Elena Andrejewna los, um ihre Nachbarin und Freundin zu besuchen. Und irgendwie den mittäglichen Streit über den Geschmack des Fisches wiedergutzumachen.
Als sie fort war, begab Igor sich zur Schuppentür und starrte gereizt auf das Vorhängeschloss.
›Soll ich es vielleicht aufbrechen?‹, dachte er.
Aber es gelang ihm nicht, einen Übergang vom Gedanken zur Tat zu rechtfertigen. Er brauchte nichts Konkretes aus dem Schuppen, den der verschwundene Stepan mit einem Schloss versperrt hatte. Und allein das Vorhandensein des Vorhängeschlosses sprach
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