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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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doch ein Trottel!« Wanja lächelte herablassend.
    »Was für ein Trottel?«
    »Na so, kein echter Mann, nur ein Fischer… Petja, der Weißrusse, nennt ihn einen ›Lappen‹. Er ist so ein Kränklicher, trinkt nichts.«
    »Alles klar«, unterbrach Igor seinen redseligen Gastgeber. »Also, auf dein Wohl!« Er hob sein Glas, das Wanja großzügig mit Wein gefüllt hatte.
    Sie tranken. Igor stand von seinem Hocker auf.
    »Ich schlafe ein bisschen!«
    »Ja… Heißt das, wenn ich heimkomme, sind Sie nicht mehr da?«, fragte Wanja.
    [107] Der ›Milizionär‹ nickte. »Aber in ein paar Tagen komme ich wieder. Wie heißt deine Mutter? Für alle Fälle?«
    »Alexandra Marinowna…«
    Igor ging in das Zimmer mit dem antiken Sofa. Er legte das Paket mit dem Fisch auf dem Boden ab, zog sich aus, faltete sorgsam die Uniform auf dem Hocker zusammen, packte obenauf den Gürtel mit dem Halfter und die Mütze und kroch unter die Decke. Im Mund kratzte der säuerliche Geschmack des Otschakower Weins. Vor sich sah er die rote Walja mit den hitzigen, leidenschaftlichen Funken in den grünen Augen. Er hörte ihre Stimme. Die Wärme von Igors Körper, die keinen Ausgang fand, blieb dort unter der schweren Wattedecke und sammelte sich an. Sie schläferte ihn ein und trug ihn mit zärtlichen Armen fort, in den Kokon des Schlafes, aus dem, ausgeschlafen, jeder als Schmetterling voller Kräfte herausflattert, um sich bis zum nächsten Schlaf an der Frische eines neuen Lebenstages zu berauschen.
    11
    »He, was ist mit dir, bist du noch nicht aufgestanden?«, rief Elena Andrejewna verwundert vor dem Bett ihres Sohnes. »Du erstickst noch im Schlaf!« Sie zog die Decke von Igors Kopf fort. »Es ist bald halb eins!«
    Igor hob den Kopf und sah seine Mutter an.
    »Was hast du für einen trüben Blick?«, fragte sie erstaunt. »Hast du gestern schon wieder getrunken?«
    Im Mund klebte säuerlich der Otschakower Wein, im Kopf geriet etwas Gewichtsloses ins Schaukeln und hinderte ihn [108] am Denken. Igor ließ den Kopf aufs Kissen sinken. Aus dem Augenwinkel bemerkte er das Zeitungspaket auf dem Boden vor seinem Bett.
    »Hier.« Er wies darauf. »Nimm! Fürs Mittagessen…«
    »Ich koche schon Buchweizen fürs Mittagessen«, sagte Elena Andrejewna, nahm das Paket aber und roch daran. »Wieso hast du es nicht in den Kühlschrank gelegt? Das ist doch Fisch?«
    Igor nickte. »Ich hatte keine Kraft«, gestand er leicht heiser.
    »Na, bleib noch ein bisschen liegen«, erbarmte sich die Mutter. »Wenn es fertig ist, rufe ich dich! Was ist denn das für eine Uniform?« Elena Andrejewna heftete den Blick auf die Mütze, unter der, ordentlich gefaltet, die Milizuniform lag. »Hast du etwa Arbeit gefunden? Als Wächter?«
    »Nein, das war nur so, zum Spaß«, winkte Igor ab. »Koljan hat Geburtstag gefeiert, im Retro-Stil…«
    Die Erklärung genügte Elena Andrejewna, sie verließ das Zimmer und nahm den in die Zeitung gewickelten Fisch mit.
    Als er allein war, stand Igor auf. Zunächst versteckte er die Milizuniform im Schrank, schlüpfte in seinen Trainingsanzug und zog die ledernen Pantoffeln mit dem Innenfell über die Füße. Sofort wurde es den Fersen weich und gemütlich, und dieses Gefühl schöner Gemütlichkeit stieg von den Füßen bis in den Kopf. Der Kopf beruhigte sich, alles kehrte zur Normalität zurück. Alles, außer dem Geschmack in Igors Mund.
    Fünf Minuten lang putzte Igor sich die Zähne mit einer harten Bürste und dachte dabei an den Geschmack des Zahnpulvers, das er bei Wanja Samochin gefunden hatte.
    ›Soll ich es Stepan erzählen?‹, überlegte Igor, während er [109] in den Spiegel über dem Waschbecken sah und dem Rauschen des Wasserstrahls lauschte. ›Nein, nein, er wird es nicht glauben… Und wenn ich Beweise hätte?!‹
    Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Ein selbstzufriedenes.
    »Mittagessen!«, drang der Ruf seiner Mutter aus der Küche an sein Ohr.
    Kaum hatte Elena Andrejewna von dem gebratenen Fisch gekostet, erhellte eine Begeisterung ihre Miene, die ihr Gesicht verjüngte.
    »Mein Gott! So was Köstliches. Bin gleich wieder da!« Sie sprang vom Tisch auf.
    »Wohin willst du?«, fragte Igor verwundert.
    »Ich hole nur die Nachbarin! Große Güte, so was Köstliches. Genau wie in meiner Kindheit!« Mit diesen Worten eilte sie in den Flur hinaus. Igor zuckte die Achseln und horchte, wie die Eingangstür zufiel. Er gab noch Butter an die Buchweizengrütze, rollte mit der Gabel die knusprige Fischhaut

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