Der Gärtner von Otschakow
vielleicht steht sie auf Absätzen?‹, dachte er.
»Flundern! Flundern von der Mündung! Morgenfang, frischere gibt es nicht!!! Frischer sind sie nur im Meer!«, fuhr sie fort und streifte mit einem durchdringenden Blick die vorübergehenden Marktkunden. »He, Brauner! Schau mal! Deine Frau wird es dir danken!«
Der »Braune«, zeigte sich, war ein leicht glatzköpfiger Mann von etwa fünfzig Jahren, mit Brille, Anzug und Krawatte, eine dicke, braune Aktentasche in der Hand. Er blieb stehen und trat zu dem Stand, gehorsam wie ein zahmes Kaninchen.
»Wie viel kostet es?«, fragte er.
»Für dich mache ich Verlust mit dem Preis«, sagte die Marktfrau. »Fünf Rubel fünf Stück!«
»Aber die sind ja teurer als Salzhering!«, wunderte sich der »Braune«, blieb aber am Stand stehen.
[101] »Ja, eingesalzene gibt’s hier ein ganzes Meer! Fässerweise! Frische Flundern aber legt man einzeln aus! Versuch du die mal zu fangen!«
»Dann nehme ich fünf Stück.« Der Mann nickte und griff in die Innentasche seines Anzugs, zog ein Portemonnaie heraus, klappte es auf und begann die Scheine darin durchzublättern.
Die Marktfrau zog unter dem Stand eine Zeitung hervor und breitete sie aus, warf einen Fisch mit der Hand hoch und fing ihn sofort geschickt auf.
»Sieh mal, was für Schönheiten!«, sagte sie, wickelte fünf Fische in die Zeitung, nahm das Geld. Der »Braune« sah misstrauisch auf das Päckchen.
»Das weicht doch durch«, sagte er. »Und ich habe da Dokumente von der Buchhaltung…«
Die rothaarige Marktfrau lächelte, zog noch eine Zeitung heraus, wickelte das Paket mit dem Fisch fest hinein und streckte es dem Käufer hin.
»Jetzt weicht es nicht durch!«
Der Mann öffnete seine Aktentasche, zögerte, dachte nach, knipste das Schloss dann wieder zu und trug das papierne Flunderpaket in der Hand davon.
Igor trat hin und tat so, als hätten die Flundern auch sein Interesse geweckt.
»Greifen Sie zu«, wandte sich die Marktfrau direkt an ihn. »Sie werden es nicht bereuen! Ihre Frau dankt es Ihnen!«
»Ich habe keine Frau.« Kühn sah Igor in das schöne, sommersprossige Gesicht der jungen Frau. Jetzt schien es ihm, dass sie beide gleich groß waren.
[102] »Gibt es keine Frau, dann dankt es Ihre Mutter!«, sagte sie fröhlich. »Die Frauen mögen Fisch lieber als die Männer!«
»Wie viel kosten sie?«
»Für den Milizionär – zehn Rubel fünf Stück!« Ein mutwilliges Lächeln erhellte das Gesicht der Marktfrau.
»Wieso denn so teuer?«, fragte er und lächelte zurück.
»Du bist die Macht!« Sie breitete die Arme aus. »Sind für die Macht zehn Rubel etwa teuer?«
»Na gut.« In Igor war plötzlich der verborgene Macho erwacht. Er zog den Packen Hundertrubelscheine aus der Hosentasche, zog ihn so heraus, dass die Frau seinen Reichtum sehen konnte, die anderen nicht. Aus dem Packen nahm er einen Schein und reichte ihn ihr.
Das Lächeln war von ihrem Gesicht verschwunden, ohne ihre Schönheit dadurch zu mindern. Besorgt betrachtete sie den Schein.
»Kleiner haben Sie es nicht?«, fragte sie.
»Die Macht hat kein Kleingeld«, scherzte Igor und sah weiter direkt in ihre grünen Augen.
»Ich sage meinem Mann, dass er zur Miliz gehen soll!« Auf ihr Gesicht war das Lächeln zurückgekehrt. »Die zahlen gutes Geld und geben einem eine Pistole!« Sie warf einen Blick auf das verschlossene Halfter.
»Eine Pistole geben sie einem«, bestätigte Igor. »Aber Geld nicht allen!«
»Nur den Chefs?« Die Stimme der Marktfrau wurde kokett. Sie schien auch den Fisch vergessen zu haben.
»Wie heißen Sie? Vielleicht zufällig Walja?«
»Warum zufällig? Katzen tauft man zufällig, aber [103] Menschen gibt man nicht zufällig Namen! Also, fünf Flundern?« Ihr Blick war ernster geworden.
Igor nickte. Die Marktfrau wickelte den Fisch in eine Zeitung und nahm aus Igors Hand den Schein.
»Bin gleich wieder da«, sagte sie und lief ein Stück weg.
Igor sah ihr nach, beobachtete, wie die Freundinnen aus der Fischreihe ihr das Geld wechselten, lauschte auf ihr Lachen.
Als sie zurückkam, schüttete sie in seine Handfläche einen Haufen Münzen und legte zwanzig kleine Scheine obendrauf.
»Wenn es Ihnen geschmeckt hat, kommen Sie wieder!«, sagte sie, und ihr Blick wanderte schon weiter, an Igor vorbei, auf der Suche nach neuen Käufern.
»Könnte ich Sie zu einem Kaffee einladen?«, fragte Igor vorsichtig. Und wurde im selben Moment von einem verwunderten Blick aus ihren grünen Augen
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