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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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winzigen Nadeln in die Hornhautränder und befestigte sie am Auge.
    »Dort wird die Zukunft erstehen, wo die Menschen am Leben bleiben, weil sie stark sind. Dort lernen wir Neues – jene Methoden zur Erhaltung der Gesundheit, die eigentlich gar nicht so neu sind, sondern die uralten Methoden der Heilenden. Für sie spricht, daß sie keiner komplizierten Anlagen, keiner Technologie bedürfen, sondern nur eines disziplinierten Verstands, der den Körper unter seinen Willen zu zwingen vermag. Wenn das Ende kommt, wird das schöne, weiträumige Leben auf dem Land enden wie eine Eintagsfliege. Die Stadt wird überleben und wieder wachsen. Draußen werden sie an Krankheiten sterben, die ihre Körper vergessen haben, an Krebs, gegen den keine Widerstandskraft vorhanden ist, an hundert verschiedenen Leiden, deren Gegenmittel verlorengegangen sind.«
    Als die Verbände über Leahs Augen befestigt waren, begann es im Lautsprecher an der Decke wieder zu krächzen.
    »Abwehrgruppen sofort auf Wachstation. Starke Streitkräfte greifen St. Luke an.«
    Die Zeit für Behutsamkeit war vorbei. Flowers verband die Wagenbeine miteinander und steuerte sie zurück in den Aufzug. Sie sanken hinunter zur Untergrundbahn. Schwerfällig stemmte Flowers die beiden Wagen in eines der Fahrzeuge und sprang hinterher.
    In wenigen Sekunden würden die unterirdischen Gewölbe von Menschen wimmeln.
    Ein Lautsprecher dröhnte: »Dachschützen beschießen von den Gebäuden an der Main Street aus St. Luke mit Granatwerfern. Bisher keine Verluste. Abwehrgruppen, bitte beeilen.«
    »Hat es schon angefangen?« fragte Pearce leise.
    Flowers lächelte grimmig.
    Als sie die Garage erreichten, liefen Männer an ihnen vorbei. Niemand kümmerte sich um Flowers mit seinen beiden Wagen. Er blieb neben dem erstbesten leeren Ambulanzwagen stehen, öffnete die Hecktüren und hob die bewußtlose Leah auf eine der Bahren. Auf die andere verfrachtete er Pearce. Er knallte die Tür zu und lief zum Fahrerhaus.
    Als der Motor ansprang, rannte ein verblüffter Arzt herüber und hämmerte an die Tür. Flowers brauste davon.
    Der Ambulanzwagen war nur ein Fahrzeug unter vielen; sie strömten aus dem Zentrum, Ambulanzen, Halbkettenfahrzeuge, Tanks. An der Süd-West-Autostraße scherte Flowers aus und steuerte nach Norden, nach Norden in die Stadt.
     
    John Bone wartete neben der Garagentür unter dem Rathaus.
    »Okay«, sagte er zu Coke. »Kannst den Angriff abblasen. –
    Kommen Sie ’rein«, sagte er zu Flowers.
    »Hat die Spinne zur Fliege gesagt«, meinte Flowers lächelnd. »Nein, danke. Sie werden geheilt werden, und zwar schneller, als ich es vermöchte. Aber nicht jetzt.«
    Bones Gesicht verzerrte sich. »Von wem?«
    »Von denen«, erklärte Flowers und deutete auf die Ambulanz.
    »Von einem alten Mann und einem blinden Mädchen?«
    »Von einem blinden, alten Mann und einem Mädchen, das vielleicht sehen wird. Ja. Sie können mehr für Sie tun als ich. Wir kommen miteinander aus, Bone.«
    Bone schnitt eine Grimasse. »Ja, ja, ich glaube auch.«
    Leah bewegte sich. Flowers streckte die Hand aus und berührte ihre Stirn. Sie beruhigte sich. Er wandte sich wieder Bone zu, zog seine weiße Jacke aus und warf sie ihm zu.
    »Hier, vielleicht nützt Ihnen das etwas. Sie können auch den Ambulanzwagen haben, sobald er uns nach Hause gebracht hat.«
    Nach Hause. Er lächelte. Er hatte sich auf die Seite der Stadt gestellt. Sogar seine Filter waren vergessen. In der Stadt gab es Brutalität, aber man konnte sie zähmen und ihre irregeleitete Lebenskraft sinnvoll einsetzen.
    Einem Ideal, das seinen Nutzen überlebt hat, kann man nur den Rücken zudrehen.
    Zwischen den Menschen bestehen keine Unterschiede. Es gibt nicht Menschen – und Menschen in weißen Jacken. Ein Arzt ist nur ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten. Aber ein Heilender ist ein wenig mehr als ein Mensch. Sie würden den Anfang machen, der alte Mann und das blinde Mädchen, das vielleicht einmal sehen würde und der Arzt, der ein neues Ideal gefunden hatte.
    »Ich habe sieben Jahre damit zugebracht, Arzt zu werden«, meinte Flowers. »Ich kann doch wohl sieben weitere Jahre dafür aufbringen, um das Heilen zu lernen.«
     

 
VIERTER TEIL
 
Die Unsterblichen
     
1.
     
    Die Klinik war menschenleer.
    Harry Elliott unterdrückte ein Gähnen, als er langsam auf den zugedeckten Operationstisch unter dem kalten, blendungsfreien Licht zuging; der große Operationssaal war weißgekachelt und wurde von unsichtbaren,

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