Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
Perspektiven. Was häufig überhaupt nichts mit Jugend zu tun hatte.
Er mußte sich immer wieder daran erinnern, daß es galt, auch die schwer zu führende alte Garde nicht zu verschmähen. Diese alten Streitrösser hatten kirchliche Schlachten durchgestanden, die eine Vielzahl jener nicht kannte, die nach Reformen und Änderungen schrien. Es war nicht leicht, die Philosphien eines ganzen Lebens zu ändern. Aber die guten alten Streitrösser wußten, wann es Zeit war, beiseite zu treten, und auf den Weiden zu grasen, bereit, mit liebevollem Blick Rat zu geben, wenn sie danach gefragt wurden, und Mitgefühl auszustrahlen — gleichgültig, ob man es wollte
oder nicht. Die anderen — die Ingatio Quartzes der Welt — brauchten einen Anstoß.
Papst Franziskus entschied, daß zu seinen letzten Handlungen auf dieser Welt auch ein paar solcher Anstöße gehören würden. Und zwar in Gestalt einer Dissertation, die nach seinem Tode der Kurie verlesen und dann veröffentlicht werden sollte. Es war ein wenig anmaßend, überlegte er, aber wenn Gott nicht wollte, daß er die Dissertation fertigstellte, so konnte Er ihn immer noch zu sich rufen, wann Er wollte.
Er hatte mit der Dissertation angefangen und diktierte sie dem jungen schwarzen Priester. Und er hatte ein päpstliches Memorandum an jedes Büro im Vatikan geschickt und den jungen Adjutanten zum Verwalter seines persönlichen Nachlasses ernannt, für den Fall, daß er in die Arme Christi gerufen werden sollte.
Giovanni erfuhr, daß Ingatio Quartze fast eine Stunde lang erbrechen mußte, nachdem er die päpstlichen Instruktionen erhalten hatte. Für die Nasenhöhlen des Kardinals mußte das schrecklich gewesen sein.
»Eure Heiligkeit?« Der junge Neger kam mit einem Koffer in der Hand zur Schlafzimmertür herein. »Ich kann das Miniaturschach nicht finden. Es befindet sich nicht in der Schublade mit dem Telefon.«
Giovanni überlegte kurz und hustete dann etwas verlegen. »Ich fürchte, es ist im Badezimmer, Pater. Seit Monsignore O’Gilligan seine Übertrittsprobleme mit einer Erläuterung des Bußthemas gelöst hatte, machte er katastrophale Züge. Ich mußte mich sehr konzentrieren.«
»Ja, Herr.« Der junge Priester lächelte und stellte den Koffer ab. »Ich werde es in den Kleiderkoffer packen.«
»Sind wir mit Packen fertig? Ich sage ›wir‹, dabei hast du die Arbeit getan.«
»Fast, Heiliger Vater. Die Pillen und die Tropfen bleiben in meinem Handkoffer.«
»Ein guter, alter Brandy würde auch nicht schaden.«
»Den habe ich auch, Eure Heiligkeit.«
»Du bist wahrhaft ein Mann Gottes, mein Sohn.«
23.
RIGIRATI! COSTRUZIONE!
Die große Blechtafel war in der Mitte der hölzernen Schranke befestigt, die sich quer über den Feldweg erstreckte.
Das Ganze wirkte sehr offiziell, bis zu den winzigen roten Katzenaugen und dem imposanten Siegel der Stadtverwaltung von Rom. Die Schranke sperrte damit offiziell einen Teil der Via Appia Antica für alle Fahrzeuge und bot statt dessen ein Umleitung an, die durch die Wälder am Appischen Hügel führte. Und da dieser Abschnitt der Via Appia der engste der ganzen Route war, gab es keine Alternative für die Umleitung, wenn die fraglichen Fahrzeuge größer als der winzigste Fiat waren. Nicht einmal so groß wie der Fiat, den der Hawk aus der Garage neben der Polizeistation gefahren hatte und der jetzt umgestürzt am Fuß des Hügels lag.
Ein größeres Automobil würde nicht genug Platz zum Wenden finden. Um die Richtung zu ändern, würde der Fahrer seinen Wagen fast eine Meile weit rückwärts lenken müssen, über zahlreiche Schlaglöcher und um eine Vielzahl von Haarnadelkurven. Natürlich könnte der Fahrer auch beschließen, sein Glück auf den Feldern zu versuchen, die in regelmäßigen Abständen die appischen Wälder durchsetzten, aber diese Felder wimmelten von Erdhügeln und Felsbrocken und einzelnen Steinmauern, die zum Teil noch aus der Antike stammten. Die Felder waren nicht nur gefährlich, sondern es war auch verboten, darauf zu fahren.
Diese Gedanken beschäftigten Captain Noir, der reglos im Gebüsch hinter der Schranke wartete, das schwarze Gesicht, unter der Strumpfmaske gepudert. Er hatte das Geräusch der Motorräder in der Ferne gehört.
Alles war bereit.
Basis Zero war angekommen.
Die Lage war perfekt. Nur Bäume, Felder und Hügel — der General hatte gut geplant. Man hätte die Entführung wahrscheinlich auf diesem abgelegenen Stück Straße auch ohne die Umleitung durchführen
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