Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
nächste Seitengasse gezerrt.
Weiter unten in der Gasse stand ein großer offener Lastwagen mit einer Segeltuchplane, der die halbe Straße versperrte. Unter der Plane waren Hunderte von Kisten aufeinandergestapelt, die mit Tausenden (Sam kam es zumindest so vor, als wären es Tausende) kreischender Hühner angefüllt waren.
Zwischen den Kisten war ein schmaler Gang frei. Er führte zum Hinterfenster der Fahrerkabine. Vor dem Fenster waren zwei winzige Hocker zu sehen.
»He, kommen Sie! Das ist ja lächerlich! Das ist verdammt noch mal, das ist unhygienisch!«
Seine Begleiter nickten teutonisch und lächelten teutonisch und hievten Sam dann teutonisch in den winzigen Gang und schoben ihn den achtzehn Zoll breiten Korridor hinunter, zu den Hockern.
Ringsum pickten scharfe Schnäbel nach ihm. Die Mittagssonne war durch die schwere Segeltuchplane völlig verdeckt. Der Geruch nach Hühnerkot war unerträglich.
Sie fuhren fast eine Stunde über Land und erreichten schließlich einen größeren landwirtschaftlichen Komplex. Auf den Feldern graste Vieh, und durch die Öffnung des winzigen Ganges zwischen den Kisten und den fliegenden Federn konnte man Silos und Scheunen erkennen.
Endlich hielt der Laster. Begleiter Nummer eins grinste sein teutonisches Grinsen und führte Sam ins Freie.
Man eskortierte ihn in eine große Scheune, die nach
Rinderurin und frischem Mist roch. Man führte ihn — teutonisch — kreuz und quer durch das stinkende Gebäude, bis sie schließlich eine leere Box erreichten. Eine Reihe blauer Bänder ließ erkennen, daß es sich um die Residenz eines Preisstiers handelte.
Drinnen hockte auf einem Melkschemel, von dampfendem Rinderkot umgeben, der vierschrötige Mann, von dem Sam wußte, daß er Heinrich König hieß.
Er stand nicht auf. Er saß einfach da und starrte Devereaux an. In seinen winzigen Augen, die von dicken Fleischwülsten umgeben waren, blitzte es.
»So ...« König blieb reglos sitzen, zog das Wort angewidert in die Länge und verscheuchte die Eskorte.
»So?« erwiderte Sam mit etwas unsicherer Stimme. Er war sich der feuchten Hühnerexkremente auf seinen Schultern bewußt.
»Sie sind der Vertreter dieses Monstrums General Hawkins? « König sprach das Wort ›General‹ mit einem harten, teutonischen G aus.
»Ich würde das gern aufklären, wenn ich darf«, sagte Devereaux mit einem gezwungenen Lachen. »Tatsächlich bin ich nur ein entfernter Bekannter, ich kenne den Mann kaum. Ich bin ein Anwalt aus Boston. Eigentlich könnte man auch sagen, ein kleiner Angestellter in einer Anwaltskanzlei. Ich arbeite für einen kleinen Juden namens Pinkus. Er würde Ihnen nicht gefallen. Meine Mutter lebt in Quincy, und infolge eines seltsamen Zufalls ... «
»Genug!« In der Umgebung des Melkschemels war ein lauter Furz zu hören. »Sie sind der Kontaktmann, der Zwischenträger dieses Teufels aus der Hölle!«
»Nun, was das angeht, würde ich im juristischen Sinne die Beziehung anzweifeln müssen, wobei besagte Beziehung eindeutig von einer Klärung der Absichten in bezug auf vorheriges Wissen abhängt. Ich glaube nicht ...«
»Sie sind ein Schakal, eine Hyäne! Aber solche Hunde bellen immer laut, wenn genügend Fleisch da ist. Sagen Sie. Dieser Hawkins ... Er arbeitet doch für Gehlen, oder?«
»Für wen?«
»Für Gehlen!«
Jetzt erinnerte sich Devereaux. Gehlen war der Meisterspion des Dritten Reiches, der nach dem Krieg für alle Gruppen Geschäfte gemacht hatte. König durfte unter keinen Umständen annehmen, daß es eine Verbindung zwischen Hawkins und Gehlen gab. Das würde nämlich auch bedeuten, daß es eine Verbindung zu einem gewissen Sam Devereaux gab, der wiederum der Ansicht war, daß dies keineswegs seine Kragenweite war.
»Oh, ganz sicher nicht. Ich glaube nicht, daß General Hawkins je von diesem — wie hieß er doch gleich? — gehört hat. Ich jedenfalls habe den Namen noch nie gehört.« Der Hühnerkot unter Sams Hemd begann zu schmelzen.
König erhob sich langsam von dem Melkschemel, wobei ein zweiter Wind diese Bewegung laut und deutlich unterstrich. Er sprach leise und mit eindringlicher Feindseligkeit.
»Der General genießt meinen widerstrebenden Respekt. Er hat mir einen Idioten und Schwätzer geschickt. Her mit den Papieren, Sie Narr!«
»Die Papiere ...« Sam griff in die Innentasche nach einer weiteren Fotokopie des Partnerschaftsvertrags.
Der Deutsche betastete stumm die Papiere und drückte auf jedes, ehe er weiterblätterte. Seine
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