Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)
dem Pullover am größten war, den angeblich Adolf Hitler getragen hatte.«
»Genau. Was sagt uns das?«
Nichts.
»Na, Adolf Hitler ist doch leicht, oder? Sie haben es sich leicht gemacht. Oder muss ich das ausbuchstabieren? Gebricht es uns in Bezug auf Adolf Hitler an Konsens?«
Das unbehagliche Wispern reichte ihm als Reaktion.
»Fallen jemandem Pullover ein, die nicht ausprobiert wurden? Sie haben den Aufsatz doch alle gelesen. Pullover, bei denen andere Leute so sicher sein könnten, wie Sie bei Adolf Hitler sicher sind?«
Zu viel. Oder die Anwesenheit des unwillkommenen Gasts, des Manns aus Porlock.
»Morgendliche Anlaufprobleme. Na, ich lasse Sie mal vom Haken, weil ich die Diskussion, wie angekündigt, an mich reißen möchte. Im Geiste von Hilton Als’ Buch, auf das wir heute nicht direkt zu sprechen kommen werden, weil ich vorher mehr Reaktionen im Blog sehen möchte, damit ich Sie nächste Woche namentlich drannehmen kann, werden wir heute über Mütter sprechen. Nicht Mütter in Büchern, denn in diesem Seminar geht es gerade nicht darum, dass solche Sachen in Büchern eingefangen werden. Sie werden in Körpern eingefangen, und die Bücher dienen dazu, sie wieder herauszulassen. Und damit meine ich Ihre eigenen Körper, die durch Raum und Zeit treiben, dasitzen und Minzbonbons lutschen oder was Sie halt grade machen.«
Er legte eine Pause ein. Die Uhr verriet ihm, dass er noch fünfzig Minuten hatte – die handelsübliche kurze Stunde der Analyse. Nach Ciceros Maßstäben war bisher noch nichts passiert. Niemand war auf die Couch gelegt worden. Das konnte in Ordnung sein. Die restliche Zeit konnte wie die ersten fünfundzwanzig Minuten in die Tiefenspeicher der undenkwürdig unverstörenden Seminarmomente dieser privilegierten Kinder tröpfeln – das Ergebnis würden sie auch nur mit einem erleichterten Achselzucken quittieren. Worauf wollte Lookins heute eigentlich raus? Hat er uns echt »treibende Körper« genannt? Hey, wäre doch ein cooler Name für unsere Band. Von Cicero wurde in keiner Hinsicht irgendetwas erwartet. Abgesehen allenfalls von der Frau, der er zu mitternächtlicher Stunde wieder einmal begegnet war, als sie durch seinen speziellen Zeittunnel reiste, seinen gegenläufigen Geburtskanal, der Geist am Tresen der Eisdiele an der Greenpoint Avenue, der wie immer nach der nächsten Pall Mall süchtelte, aber noch genug Zeit hatte, um Cicero zu manipulieren und ihn auf seinen aufgewühlten Kern zu reduzieren. Hatte er sich auf dem Sofa seines dunklen Betts fünfzig Minuten lang mit Rose unterhalten?
Am Vorabend hatte Cicero Erbarmen mit Sergius Gogan gezeigt und ihm unten das Gästezimmer angeboten. Nachdem die beiden Schwimmer tropfnass aus dem Meer hereingeplatscht waren, hatte Sergius seine Reisetasche vom Rücksitz des Mietwagens geholt, Cicero hatte ihn unter die Dusche geschickt und die abgeschnittene Jeans, die er als Badehose genommen hatte, in den Trockner geworfen. Dann hatte er dem Streuner aufgetragen, die Main Street zu suchen, am Campus vorbei, und nach der Veranda vom Poseidon’s Net im ersten Stock Ausschau zu halten, wo er ein Pint Bier bekäme und ein Hummerbrötchen oder panierten Schellfisch essen könne. Damit wären die Möglichkeiten der örtlichen Gastronomie erschöpft, witzelte Cicero freudlos. Unten in der Bar wird Baseball übertragen, fügte er noch hinzu, aber dann hast du die Red Sox am Hals. Und, nur zur Warnung, das ist der Treffpunkt der städtischen Cruiser. Frischfleisch kriegt hier jede Menge Aufmerksamkeit.
Nachdem er Sergius Richtung Poseidon’s losgeworden war, stieg Cicero in seinen klimatisierten Wagen, verließ die Stadt und fuhr zu seinem Einzeltisch im Five Islands Grill, trank ein Glas eisgekühlten Sauvignon Blanc, tat sich als Hors d’oeuvre an Austern gütlich, aß dann einen Teller der ganz anständigen Gnocchi mit Futterpilzen und las ein paar Kapitel im Mann ohne Eigenschaften. Abgesehen von Institutslustbarkeiten mit Gastprofessoren oder Stellenbewerbern war der Grill Ciceros Domäne; seine Kollegen waren zu geizig, um hier ohne universitäre Spesenerstattung zu essen. Cicero hatte keine Lust, die Ozeankonversation mit Sergius auf dem Festland fortzusetzen. Als er zurückkam und das Haus leer fand, richtete er die Satellitenschüssel auf das Spiel der Mets aus, holte sich noch eine Flasche Wein aus dem eigenen Kühlschrank und ließ seine Massen aufs Sofa plumpsen.
Die Mets hatten sich dieses Jahr verbessert. Die Namen
Weitere Kostenlose Bücher