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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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aufsuchen.» Sie stellt sich vor, wie Haaruun und der Attaché diese Sätze wechseln, das ganze Gespräch voller wahlloser Aussagen und Fragen.
    Keiner der anderen Gäste kommt auf sie zu. Wenn sie keine Uniform trüge, fänden sie es vielleicht lohnenswert, sie anzusprechen, aber so verrenken sie sich den Hals, um an ihr vorbeizusehen. Draußen stehen Soldaten, mit denen sie sich unterhalten könnte, aber dann vergisst General Haaruun sie womöglich, springt in sein Auto und fährt im Dämmer des Spätnachmittags davon. Sie braucht die Geduld eines
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, dieser schwarzen Männer mit bloßem Oberkörper und Turban, die in den Harems im Hintergrund stehen, reglos wie Stein, gleichzeitig abwesend und anwesend, und deren Augen im Dunkeln glänzen wie die einer Kobra. Sie hat ohnehin nichts Besseres vor – auf sie wartet bloß ihre winzige, kahle Stube in der Kaserne mit der widerlichen Toilette und der klumpigen Matratze.
    «Genossin! Kommen Sie zu uns.» Haaruun.
    Filsans Knie schlagen gegeneinander, als sie sich neben ihn stellt.
    Der Amerikaner hat eine Hand auf Haaruuns Schulter gelegt, sein graues Hemd ist nass unter den Armen.
    «Sie sprechen doch Englisch?»
    «Ja, Sir.» Filsan ist sich ihres starken Akzents bewusst, hat sich aber intensiv mit der Sprache beschäftigt.
    «Gerade habe ich unserem amerikanischen Freund erzählt, wie stark die somalischen Frauen sind, dass es bei uns keine Geschlechtertrennung gibt. Die Frauen arbeiten, kämpfen in unserer Armee, sind Ingenieurinnen, Spioninnen, Ärztinnen. Stimmt doch?»
    «Absolut, wir sind nicht wie andere Frauen.» Sie nickt inbrünstig.
    «Ich wette mit Ihnen, dieses Mädchen könnte innerhalb einer Minute eine Kalaschnikow zerlegen», prahlt der General und schiebt sich die goldgeränderte Sonnenbrille auf den kahlen Kopf.
    «Ja, und sie könnte bestimmt ein ganzes äthiopisches Bataillon vernichten und dabei noch Einrad fahren», lacht der Amerikaner.
    «Da, Mann, schauen Sie mal …» General Haaruun schnappt sich Filsans Hand, hebt sie und wirbelt die junge Frau herum. «Wollen Sie mir etwa sagen, dass auch Amerikanerinnen ausgebildete Tötungsmaschinen sein und trotzdem so gut aussehen können?»
    Filsan heftet ihren Blick auf den Boden, sie spürt, wie die anderen sie taxieren, Blicke lecken wie Zungen über ihren Körper.
    «Nicht übel, nicht übel. Ich wollte ihr nicht im Dunkeln auf der Straße begegnen. Oder vielleicht doch, wenn’s die richtige Straße ist.»
    General Haaruun umklammert die Schultern des Attachés und johlt zustimmend, fasst sich dann. «Behalten Sie Ihre Kapitalistenhände bei sich.» Scherzhaft drohend wedelt er ihm mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht herum.
    Filsans Gesicht brennt, es treibt ihr Tränen in die Augen, und ehe sie ihr über die Wangen kullern, hastet sie zurück in ihre Ecke, gerade als im Raum die Lampen und Kronleuchter angehen. Hochaufgerichtet steht sie mit durchgedrücktem Rücken da. Sogar wenn sie in Uniform ist, sehen die Männer in ihr bloß zwei Brüste und ein Loch. Der Generalkennt ihren Vater, führt sie aber trotzdem wie eine Prostituierte vor. Ein Kellner bleibt stehen, wirft ihr einen Blick zu; mit herausgestreckter Brust und angehaltenem Atem muss sie so aussehen, als wäre sie kurz vorm Platzen.
    «Fahr zur Hölle!», zischt sie.
    Er spitzt die Lippen zum Luftkuss und räumt ein leeres Glas vom nächsten Tisch.
    Eine Träne löst sich, läuft ihr die linke Wange hinab und wird grob weggewischt. Draußen ist der Himmel schwarz, ihr Spiegelbild im Fenster wirkt gedrungen; sie sieht wie ein verlassenes Kind aus, das gleich weinend zusammenbricht.
    «Genossin, soll ich Sie nicht zurück in die Kaserne fahren?» General Haaruun kommt auf sie zu und zeigt mit einer Handbewegung auf die Tür.
    Sie zögert, möchte sich aber einen Rest der Hoffnung bewahren, die sie auf dieses Treffen gesetzt hat, vielleicht bietet er ihr ja doch noch seine Unterstützung an. Sie legt Dankbarkeit in ihre Gesichtszüge und nickt zustimmend.
    Der Mercedes parkt zwei Meter vom Hoteleingang entfernt. Ein junger Soldat beugt sich vor und will die Tür öffnen, aber General Haaruun winkt abwehrend. «Bleiben Sie im Jeep», ordnet er an und hält Filsan den Wagenschlag auf. Sie rutscht hinein, darauf bedacht, mit ihren Stiefeln nicht das Polster zu berühren. Die Fenster sind schwarz getönt, und nachdem die Tür zugeschlagen worden ist, umgibt sie völlige Dunkelheit, nur die Anzeige des Armaturenbretts gibt ein zartes

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