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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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das auf einer Seite Flüchtlinge aus Ogaden zeigt, die sich unter einer Akazie zusammendrängen, und auf der anderen dieselben Flüchtlinge in einem Fischerboot, ein breites Lächeln auf dem Gesicht, nachdem sie von der Regierung umgesiedelt worden sind. Immer wieder blickt sie einem der Jugendlichen auf dem Poster in die Augen, statt die Frau anzusehen, die sie verhört.
    Officer Adan Ali zerrt an ihrem Kragen und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. «Berichten zufolge hast du versucht, Mitglieder der Guddi anzugreifen. Was hast du gegen diese Anschuldigung zu sagen?»
    «Ich habe weder meine Hand gegen jemanden erhoben, noch damit gedroht», erklärt Kawsar.
    «Willst du damit sagen, dass die Guddi lügen?»
    Kawsar zögert, atmet tief durch. «Ja.»
    Heftiges Gekritzel in die Kladde. «Dir ist klar, dass die Diffamierung von Staatsangestellten eine Straftat darstellt?»
    «Eine Straftat gegen Gott? Gegen Sie? Gegen mich?»
    «Gegen das Land.»
    Schulterzuckend tut Kawsar ihre Verachtung kund.
    Officer Adan Ali knallt den Stift auf den Tisch und lässt sich heftig gegen die Stuhllehne fallen; noch ein bockiges kleines Mädchen, das den Ton angeben will.
    Filsan spürt, wie ihr Bein unter dem Tisch zuckt; eine nervöse Angewohnheit, die auftritt, wenn sie kurz davor ist, die Geduld zu verlieren.Dies ist ihre erste Vernehmung überhaupt; sie ist aufs Revier gegangen und hat verlangt, dass man sie zu der alten Frau bringt. Die Besetzung der Nachtschicht hatte bereits rotunterlaufene, trübe Augen und ließ sie ohne große Diskussionen ein. Lieber einen klaren Kopf bekommen, sich auf die Arbeit konzentrieren, als über den Vorfall in Haaruuns Auto nachdenken. Tief im Innersten graut ihr davor, allein auf ihre winzige Stube zurückzukehren. Diese Alte hat nicht nur dafür gesorgt, dass sie wieder einen klaren Kopf hat, sondern entfacht in ihr auch Wut – die glaubt wohl, sie sei eine Kriminelle oder so, und weigert sich, Filsan anzusehen, und zuckt bei ihren Fragen nur gleichgültig die Schultern.
    Filsan hat eine der Standardfragen vergessen und stellt sie nun. «Hast du Kinder?»
    «Nicht mehr.»
    Filsans Misstrauen wächst, wenn schon die Mutter so respektlos ist, dann steckt ihr Sohn vielleicht bei den Rebellen in Äthiopien oder am Golf von Aden, und sie schickt ihm Geld. «Wann haben sie das Land verlassen?»
    Kawsar seufzt. «Vor ungefähr fünf Jahren.»
    «Wo sind sie hin?»
    «In den Himmel.»
    Wieder Schweigen.
    «Hältst du das hier vielleicht für ein Spiel? Wenn mir danach ist, kann ich dich in Mandera verschwinden lassen oder in einem anderen Gefängnis, von dem du noch nie was gehört hast und wo dich keiner findet.»
    Gern würde Filsan ihr Gesicht mit einem Hammer bearbeiten. Aus irgendeinem Grund haben die Leute den Eindruck, sie wären ihr keinen Respekt schuldig. «Ich werde dir noch eine letzte Chance geben: Erzähl mir, was zwischen dir und den Guddi vorgefallen ist.»
    Kawsar spreizt die Finger auf der Tischplatte, ihre Handgelenke sind nur Haut und Knochen und hervortretende Adern, die Finger gekrümmt, als müssten die Knöchel geölt werden, das Henna auf den Nägeln ist herausgewachsen, nur an den Spitzen sind noch kleine Halbmonde geblieben.
    «Ich bin vorschriftsgemäß ins Stadion gegangen. Ich habe mit meinen Nachbarinnen friedlich da gesessen und mir die Parade angesehen. Ich bin alt und müde, ich habe nicht mehr die Kraft für solche langwierigen Veranstaltungen, aber ich habe gehorcht. Und da fiel mir ein schmächtiges Mädchen auf, das tanzte, bis es von den Guddi weggeschleppt wurde.»
    «Und da hast du eingegriffen?» Filsans Pulsschlag beruhigt sich.
    «Ja, sie prügelten auf sie ein, vier oder fünf von ihnen gegen ein Kind. Ich wollte da nicht einfach zusehen.»
    «Und dann?»
    «Ich bin zu den Guddi gegangen und habe ihnen gesagt, sie sollten aufhören. Ich habe niemanden angefasst, aber ich selber wurde mehr als einmal geschubst.»
    «Was ist dann mit dem Mädchen geschehen, nachdem du ihm zu Hilfe gekommen bist?»
    «Es ist weggerannt.»
    «Ist das dein erster Zusammenstoß mit Vertretern des Staates?»
    «Einmal musste ich Bußgeld zahlen.»
    «Warum?»
    «Man hat mich fälschlicherweise beschuldigt.»
    «Wessen?», schnauzt Filsan.
    «Angeblich habe ich Radio NFM gehört», sagt Kawsar leise.
    «Verkehrt irgendjemand aus deiner Familie mit den Rebellen?»
    «Ich habe keine Familie, ich bin alleinstehend.»
    «Weshalb schaltet eine Frau in deinem Alter derart

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