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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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ein paar Meter von Sue entfernt stehen.
    Es war ein schwarzer Cadillac.
    Neal kam das Auto nicht bekannt vor.
    Der Fahrer stieg aus. Er ließ die Tür offen stehen und ging auf Sue zu. Ein großer Mann, der so dick war, dass er kaum laufen konnte. Er trug ein Tanktop und eine riesige Jeans. Sein Pferdeschwanz schwang von links nach rechts, während er daherwatschelte.
    Er hatte eine Videokassette dabei. Eine einzige. Er schwang sie an seiner rechten Seite hin und her, als wollte er damit einen Angriff auf seine Flanke abwehren.
    Neal, der an der Ecke des Gebäudes stand, steckte die Pistole in die Tasche, ließ aber die Hand auf dem Griff liegen.
    Sue lächelte den Fremden an. Dann öffnete sie die Papiertüte, sah hinein, zerknüllte sie und warf sie zurück in die Mülltonne.
    »Nichts gefunden?«, fragte der Mann. Er hatte eine hohe, mädchenhafte Stimme.
    »Nein«, sagte Sue. Immer noch lächelnd trat sie von dem Gehweg und streckte die Hand aus. »Ich werfe es für Sie ein«, bot sie an.
    »Vielen Dank«, sagte der Fremde und gab ihr die Kassette.
    Sie wollte sich abwenden.
    »Warte«, sagte er.
    Er zog eine Brieftasche aus der Gesäßtasche.
    »Hey, nein«, sagte Sue. »Ich wollte Sie nicht anschnorren.«
    Er zog einen Schein heraus und hielt ihn ihr hin. »Ich bin sicher, du kannst das gut gebrauchen. Bitte. Ich möchte, dass du es nimmst.«
    Sue schüttelte den Kopf. »Ich hab jetzt schon so viel Geld, dass ich gar nicht weiß, was ich damit anfangen soll.«
    »Ich habe gesehen, was du da am Müll gemacht hast. Nach Essensresten gesucht …«
    »Nein. Ich hab nur …« Sie schnappte sich den Geldschein aus seinen Fingern. »Danke, Mister.«
    Er winkte ihr mit einer pummeligen Hand zu, drehte sich um und schleppte sich zurück zum Wagen.
    Sue eilte zum Rückgabeschlitz. Sie warf das Video ein und sah auf den Schein in ihrer Hand. Dann stieß sie einen leisen Pfiff aus und schüttelte den Kopf. Sie sah Neal an, schüttelte erneut den Kopf und wandte sich zu dem Mann. »Vielen Dank«, rief sie. »Machen Sie’s gut.«
    Er schlug die Tür zu.
    Neal drehte sich zu einem der Schaufenster. Er blickte auf die Regale voller Videokassetten, während er darauf wartete, dass der Mann wegfuhr. Sue kam zu ihm.
    »Guck dir das an«, sagte sie. »Der Typ hat mir einen Fuffziger gegeben. Ich fass es nicht.« Sie wedelte mit dem Schein vor seiner Nase herum. »Mir hat noch nie einer einen Fuffziger gegeben.«
    »Lass uns hier abhauen«, sagte Neal.
    Sie gingen nebeneinander zum Auto zurück. Sue starrte den Fünfzigdollarschein in ihrer Hand an. »Wo ich bei Sunny’s gekellnert hab, hab ich nie so viel Trinkgeld gekriegt.«
    »Du musst ihm leidgetan haben«, sagte Neal. »Er hat gesehen, wie du im Müll gewühlt hast.«
    »Hm …«
    »Und wie dürr du bist.«
    »Er war wirklich nett. Schade, dass ich so jemandem nicht begegnet bin, als ich noch nicht reich war.« Sie gab Neal einen Klaps auf den Hintern. »Danke, dass du mir zur Hilfe geeilt bist.«
    »Es hätte auch Vince sein können.«
    »Hätte sein können, war er aber nicht. Jedenfalls hab ich in der Mülltonne nix gefunden. Nur Müll. Ich schätze also, wir waren zuerst da.«
    Sie überquerten die Straße und stiegen in den Jeep.
    »Guck mal, was der Mann mir gegeben hat«, sagte Sue und zeigte Marta den Geldschein.
    Marta schien nicht beeindruckt. »Du hättest umgebracht werden können.«
    »Hätte ich werden können, wurde ich aber nicht.«
    »Ich finde das nicht so lustig. Es gab keinen vernünftigen Grund, einfach so da rüberzurennen. Das war reine Angeberei.«
    »Stimmt nicht.«
    »Es ist ja gut ausgegangen«, sagte Neal. »Und wenigstens wissen wir jetzt, dass Vince noch nicht hier war.«
    »Vielleicht hat er die ganze Sache beobachtet«, erwiderte Marta. »Er könnte in einem der Wagen da drüben sitzen … oder irgendwo anders. Nur um die Lage abzuchecken. Dasselbe gilt für Glitt. Jeder, der ein bisschen Hirn im Kopf hat, würde bei so einer Nummer zeitig kommen. Und wenn sie hier sind, dann wissen sie jetzt, dass wir hier sind.«
    »Entschuldigung«, murmelte Sue und zuckte die Achseln. »Ich wollte uns nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    »Halb so schlimm«, sagte Neal. »Falls sie jetzt schon hier sind, haben sie uns bestimmt sowieso kommen gesehen.«
    Marta schwieg einen Moment. »Das stimmt wahrscheinlich«, sagte sie dann.
    Sue drehte sich zu Neal und sagte: »Willst du nicht das Armband benutzen? Du könntest dich bei den parkenden Autos umsehen und

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