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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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abzustatten.
    Ich muss ihn schnell finden, sonst werde ich zurückgerissen.
    Sue kämpfte gegen das Ziehen an und wandte sich zur Tür des Gesellschaftszimmers. Sie glitt hindurch.
    Niemand da.
    Es gab auch kein gutes Versteck dort, höchstens hinter der Theke.
    Sie rechnete nicht damit, Vince dort zu finden, doch sie dachte, es könne nicht schaden, nachzusehen. Außerdem könnte sie durch die Schränke und die Wand eine Abkürzung ins Wohnzimmer nehmen.
    Sie hielt sich dicht am Boden und schlüpfte zwischen den Beinen eines Barhockers hindurch. Dann durchdrang sie die hölzerne Theke, als wäre sie aus Luft, und stieß mit jemandem zusammen.
    Sie schrie erschrocken auf.
    Es dauerte nur einen Augenblick, bis sie begriff, dass sie in Vince Conrad war.
    Er hatte Angst und zitterte.
    Vince hatte sich nicht die Zeit genommen, sich nach seiner Rückkehr von Video City umzuziehen. Er trug noch immer seinen Jogginganzug. Er schwitzte. Schwitzte und zitterte.
    In einer Hand hielt er einen Revolver.
    Er saß mit angezogenen Knien auf dem Boden hinter der Theke. Ein so naheliegendes Versteck, dass es auf Sue geradezu jämmerlich wirkte.
    Was Besseres ist dir nicht eingefallen?
    Sie bemerkte, dass er zu viel Angst hatte, um einen klaren Gedanken zu fassen.
    Man kann nie wissen, dachte er. Vielleicht gibt es ein Problem mit dem Telefon. Diese verdammten Handys. Vielleicht haben die blöden Arschlöcher es nicht eingeschaltet.
    Ja, vielleicht liegt es daran. Ich hätte es gar nicht versuchen sollen. Hätte einfach warten sollen, bis sie mich anrufen, so wie es geplant war.
    Vince warf einen Blick auf das phosphoreszierende Ziffernblatt seiner Armbanduhr.
    1:16 Uhr.
    Wovor habe ich Angst? Leslie sollte gar nicht vor zwei Uhr auftauchen.
    Aber er wird nicht bis zwei warten. Nicht Leslie.
    Er hat bestimmt beobachtet, wie ich die Tüte eingeworfen habe. Vielleicht hat er ein oder zwei Minuten gewartet, nur um auf Nummer sicher zu gehen, und hat sie sich dann geholt. Und dann müssten meine Kumpels ihren Auftritt gehabt haben.
    Das sollte vor zehn oder fünfzehn Minuten gewesen sein.
    Sue nahm an, dass Vince zu diesem Zeitpunkt die Panik überkommen hatte. Er musste mit dem Auto auf dem Heimweg gewesen sein und den Anruf auf seinem Handy erwartet haben.
    Soweit ich weiß, ist Leslie noch gar nicht aufgetaucht.
    Es passt zwar überhaupt nicht zu ihm, aber …
    Manchmal kommt etwas dazwischen. Ich sollte die Nerven behalten. Vielleicht hat er beschlossen, sich zum ersten Mal in seinem Leben an die Regeln zu halten.
    Klar.
    Sie haben ihn nicht erwischt, das ist das Problem. Die blöden Arschlöcher haben ihn verfehlt.
    »Na klar, Mann, alles easy, wir blasen ihm den beschissenen Kopf weg.« Ja, klar, genau.
    Wer weiß, ob sie es überhaupt probiert haben? Vielleicht haben sie mein Geld genommen, sind nach Hause gefahren und haben sich ins Fäustchen gelacht. »Ja, Mann, den dämlichen Arsch haben wir schön reingelegt.«
    Scheiße.
    Ich bring die Schweine um. Die glauben, sie können mich verarschen.
    In seinem Kopf lief ein Film ab, in dem er den vier Männern in einer dunklen Gasse gegenübertritt. Er richtet den Revolver auf sie. Sie schütteln die Köpfe, wedeln mit den Händen und flehen ihn an. »Hey, alles cool, Mann. Beruhig dich. Bitte! Alles cool.«
    »Nichts ist cool«, sagt Vince.
    Auf einer anderen Ebene, die Sue irgendwie diffuser vorkam, überlegte Vince, dass es sehr cool wäre, zu den Typen zu sagen: »Nichts ist cool«.
    Zufrieden mit sich selbst, drückt er ab.
    Der Revolver ruckt in seiner Hand und spuckt Feuer. Die Kugeln treffen die vier Männer und werfen sie nach hinten. Sie taumeln gegen eine Ziegelmauer und zucken und zappeln bei jedem Treffer.
    Er pumpt immer mehr Kugeln in sie hinein.
    Fünfzehn, zwanzig.
    Der magische Revolver schießt immer weiter.
    »Mich verarscht niemand!«, brüllt er.
    Als alle vier Männer auf dem Asphalt liegen, geht er zu ihnen, bückt sich und verpasst jedem eine Kugel in den Kopf.
    Genau das werde ich mit ihnen tun , dachte er.
    Aber Sue wusste, dass er nichts in der Art vorhatte. Er hatte noch nie in seinem ganzen Leben mit einer Waffe auf jemanden geschossen. Er hätte sie gern alle abgeknallt, doch er hatte zu viel Angst. Er hoffte, dass er ihnen nie mehr begegnete.
    Auch wenn die Schießerei nur eine Wunschvorstellung war, schien Vince sich dadurch aus irgendeinem Grund besser zu fühlen. Er hatte nicht mehr ganz so viel Angst.
    Denen werde ich es zeigen, mich zu verarschen,

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