Der Gast: Roman
finden?«
»Ich weiß nicht.« Marta goss zwei weitere Messbecher voll Tequila in den Mixer. Dann nahm sie den Triple Sec.
»Außerdem«, sagte Neal, »habe ich seinen Lieferwagen zerschossen.«
»Der war gestohlen, das habe ich gehört.«
»Also haben sie ihn gefunden?«
»In der Einfahrt des Hauses. Du hast ihn zerschossen?«
»Allerdings.«
Marta sah ihn über die Schulter an. »Du hast einen unschuldigen Lieferwagen umgebracht.«
»Ich wollte nicht, dass der Dreckskerl damit entkommt.«
Sie goss ein wenig Triple Sec zu dem Tequila und dem Eis. »In dieser Nacht wurde in ihrer Straße ein Auto gestohlen. Sie glauben, dass er damit geflohen ist.«
»Sie wundern sich bestimmt, wer den Lieferwagen unbrauchbar gemacht hat. Ich meine, ich habe bloß sechs Kugeln reingejagt.«
Marta nahm ein Messer aus der Schublade. Während sie die Limonen halbierte, schüttelte sie den Kopf und sagte: »Von Einschusslöchern haben sie nichts gesagt, soweit ich weiß. Und ich habe mir die ganze Geschichte in den Vier-Uhr-Nachrichten angesehen.«
Neal nahm an, dass die Polizei beschlossen hatte, darüber nichts verlauten zu lassen. Die Ermittler hielten oft Einzelheiten vor der Presse zurück – oder versuchten es zumindest –, damit sie sicher sein konnten, dass außer ihnen nur der Täter über dieses Wissen verfügte.
»Hat jemand meine Schüsse gehört?«, fragte er.
»Das weiß ich nicht. Du kannst rübergehen und die Nachrichten anschalten, wenn du willst.«
Der Vorschlag beunruhigte ihn. Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht später. Ich würde gern wissen, was los ist, aber … es kann warten.«
Sie sah ihn an.
Kann ich überhaupt nichts vor ihr verbergen?
»Nach einem oder zwei Margaritas«, erklärte er, »nimmt man es nicht mehr ganz so schwer.«
»Das ist bei den meisten Dingen so«, sagte Marta. Sie presste eine der Limonenhälften über dem Mixer aus. »Ich habe das Margarita-Salz vergessen. Kannst du es mir reichen?« Sie nickte zum Schrank mit den Schnapsflaschen. »Es ist in einer kleinen weißen Plastikdose.«
»Klar.« Er durchquerte die Küche und öffnete die Schranktür. Die Dose stand ganz vorn. »Gefunden.«
»Am besten nehmen wir deine Aussage auf, ehe wir uns die Nachrichten ansehen. Und ehe du zu betrunken bist.«
»Ich werde mich nicht betrinken«, versprach er.
»Und ich kann nicht. Nicht, wenn ich noch arbeiten muss.«
Neal öffnete die Salzdose und stellte sie auf die Arbeitsfläche. Marta rieb mit der letzten Limonenhälfte die Ränder der Gläser ein. Sie stellte ein Glas kopfüber in die Dose. Als sie es wieder herausnahm, hing ein dicker weißer Salzrand daran.
»Bei mir nicht so viel«, sagte Neal.
»Gesundheitsfanatiker.«
»Ich bin bloß kein Salzfanatiker.«
»Willst du lieber gar keinen Salzrand?«
»Ich glaub schon.«
Sie stellte die beiden Gläser nebeneinander. Dann schloss sie den Deckel des Mixers. »Los geht’s.« Sie drückte auf den Schalter.
Der plötzliche Lärm ließ Neal zusammenzucken.
Die klare grünliche Mischung sprudelte auf. Die Eiswürfel wirbelten umher. Nach einem Augenblick war der Mixer voll weißem Schaum mit einem leichten Grünstich.
Das Gerät verstummte.
Marta zog den Gummideckel ab, hob den Behälter von seinem Sockel und goss das Gebräu in die Gläser. Es war fast so dickflüssig wie ein Milchshake. Neal hörte, wie mit einem leisen Blubbern Blasen aufstiegen. Der Schaum setzte sich, bis nur noch eine weiße Krone übrig blieb.
Sie stießen an. Ein paar Salzkrümel fielen von Martas Glas.
»Auf die Zukunft«, sagte sie.
»Auf die, die von uns gegangen sind«, fügte Neal hinzu.
Als er sah, wie sich Traurigkeit in ihren Augen ausbreitete, wünschte er, er hätte das nicht gesagt.
»Es tut mir leid.«
»Es muss dir nicht leid tun«, sagte sie. »Ich weiß, dass du verletzt bist.«
Sie tranken. Der Margarita fühlte sich in Neals Mund kalt und weich an. Er schmeckte süß und sauer zugleich. Als Neal schluckte, breitete sich eine tröstende Wärme in ihm aus.
Marta ließ ihr Glas sinken. An ihren Lippen hing heller Schaum. Sie wischte ihn mit dem Handrücken ab. Dann sah sie Neal in die Augen und fragte: »Hast du dich … in sie verliebt?«
»Ich weiß nicht. Auf eine Art, vielleicht.«
Und wie, dachte er.
»Ich kannte sie nur ein paar Stunden«, erklärte er. »Es war alles so seltsam. Ich meine, ich habe ihr das Leben gerettet. Sie war schön und … sehr nett. Sie hat dir ziemlich geähnelt. Vielleicht war es deshalb.
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